Total Recall
dann selber für die Beleuchtung sorgen muss und daher völlige Kontrolle darüber hat. Er muss nicht mit der Sonne konkurrieren, sondern baut, ausgehend von der Dunkelheit, das Licht so auf, wie er es braucht. Will man eine einsame Straßenszene haben, die dem Publikum auf Anhieb Angst einflößt, dann dreht man sie ohnehin lieber bei Nacht. Deshalb entstand ein Großteil des Films nach Einbruch der Dunkelheit. Für die Schauspieler ist die Nachtarbeit natürlich weniger angenehm und unterhaltsam als das Drehen am Tag.
Cameron erinnerte mich an Milius. Für ihn war das Filmemachen ebenfalls eine Obsession. Er kannte sich hervorragend in der Filmgeschichte aus und wusste alles über Filme, Regisseure und Drehbücher. Stundenlang konnte er sich über technische Details auslassen und darüber, was alles nicht möglich war. Mir ging dann rasch die Geduld aus. »Warum machst du nicht einfach einen guten Film?«, dachte ich bei mir. »Für Spielberg und Coppola waren die Kameras schließlich gut genug. Und Alfred Hitchcock hat sich auch nicht über seine Ausrüstung beschwert, als er seine Filme drehte. Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist?« Ich brauchte eine Weile, bis mir klarwurde, wer Cameron war: Er war der Beste.
Es wurde alles präzise choreografiert, besonders die Action-Szenen. Cameron hatte erstklassige Stunt-Leute eingestellt und ihnen vorab genau erklärt, was er in jeder Einstellung haben wollte, wie ein Fußballtrainer, der ein Spiel plant. Sagen wir, zwei Autos rasen in einer Verfolgungsjagd aus einer Nebengasse auf einen Boulevard, und der herannahende Verkehr kann gerade noch so ausweichen. Eins der Autos gerät ins Schleudern und trennt einem entgegenkommenden Pick-up den Heckkotflügel ab. So etwas drehte Cameron als Master-Shot, in den er die verschiedenen Nah-Einstellungen einbaute. Er kannte sich so gut aus, dass die Stunt-Leute regelrecht mit ihm fachsimpeln konnten. Für ihn gingen sie beim Dreh der Stunts gern jedes notwendige Risiko ein.
Wenn morgens um drei, während ich bis zu meinem nächsten Einsatz noch zwei Stunden im Wohnmobil schlafen konnte, draußen noch gedreht wurde, sah ich mir das Filmmaterial am folgenden Tag an und war jedes Mal voller Bewunderung. Es war unglaublich, dass ein Regisseur in seinem zweiten Film das Können und das Zutrauen hatte, so etwas durchzuziehen.
Am Set wusste er über jede Kleinigkeit Bescheid und war immer auf den Beinen, um Verbesserungen vorzunehmen. Er hatte auch im Hinterkopf Augen. Ohne auch nur nach oben zu sehen, sagte er einmal: »Daniel, verdammt noch mal, bring mir den Scheinwerfer. Und ich habe dir doch schon gesagt, dass du den Abdeckschirm drauf machen sollst. Oder muss ich raufklettern und den Mist selber erledigen?« Daniel, in dreißig Meter Höhe, purzelte fast vom Gerüst, denn woher wusste Cameron das schon wieder? Er kannte jeden am Set beim Namen und machte unmissverständlich klar, dass man ihm kein X für ein U vormachen konnte. Wenn es jemand doch versuchte, hielt Cameron ihm eine Standpauke vor versammelter Mannschaft, und das alles in einer präzisen Fachsprache, die auch dem letzten Beleuchter klarmachte: »Der Typ weiß mehr über Licht als ich. Am besten mache ich genau, was er sagt.« Jemand wie ich, der auf solche Details nicht achtete, konnte da viel lernen.
Mir wurde klar, dass Cameron nicht nur ein Mann fürs Detail war, sondern auch ein Visionär. Das betraf die Art, wie er seine Geschichten erzählte, aber auch, wie er Frauen auf der Leinwand darstellte. In den beiden Monaten, ehe wir Terminator drehten, hatte er die Drehbücher zu Aliens und zu Rambo 2 – Der Auftrag verfasst. Mit Rambo bewies er, dass er das Macho-Genre beherrscht, aber die eindrucksvollste Action-Figur in Aliens ist eine Frau, Ripley, gespielt von Sigourney Weaver. Auch Sarah Connor in Terminator ist eine heldenhafte Figur.
Camerons Vorliebe für starke Frauen erstreckte sich nicht nur auf den Film. Er heiratete mehrmals und immer Frauen, die sehr genau wussten, was sie wollten. Die Produzentin von Terminator , Gale Anne Hurd, heiratete ihn später während der Dreharbeiten zu Aliens . In unserem Projekt war es ihre Aufgabe, das Budget einzuhalten. Zwar erhöhte es sich am Ende auf 6,5 Millionen Dollar, doch für einen so ambitionierten Film war das noch immer Low-Budget. Hurd war Ende zwanzig und hatte nach einem Uni-Abschluss in Stanford zunächst als Sekretärin bei Produzent und Regisseur Roger Corman gearbeitet, ehe sie selber
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