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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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an – drei, vier oder fünf Kameraden –, und so trainierten wir eineinhalb Stunden vor dem Essen. In manchen Nächten mussten die Fahrer bei ihren Panzern bleiben, während die anderen im Zelt schliefen. Wir hoben dann eine Mulde aus, legten eine Decke hinein und parkten den Panzer darüber. Das sollte uns vor Wildschweinen schützen. Wir durften nicht auf sie schießen, und ich glaube, das wussten sie, denn sie bewegten sich auf dem Übungsplatz ohne große Scheu. Wir hatten auch Wachen postiert, die oben auf dem Panzer standen, damit die Wildschweine nicht auf sie losgehen konnten.
    Eines Nachts kampierten wir neben einem Bach. Plötzlich wachte ich mit einem Ruck auf. Ich dachte, ich hätte Wildschweine gehört. Dann merkte ich, dass über mir etwas fehlte. Mein Panzer war weg. Ich sah mich um und entdeckte ihn zehn Meter entfernt im Bach, nur noch das Hinterteil ragte aus dem Wasser. Die Schnauze war untergetaucht, das Geschützrohr steckte tief im Schlamm. Ich hatte vergessen, die Bremse anzuziehen, und der Grund fiel zum Bach hin ab, sodass der Panzer langsam weggerollt war, während wir schliefen. Ich versuchte, den Panzer aus dem Bach zu fahren, aber die Ketten drehten im Schlamm durch.
    Wir mussten ein 80 Tonnen schweres Abschleppfahrzeug herbeischaffen. Trotzdem dauerte es Stunden, bis der Panzer herausgezogen war. Danach musste er in die Werkstatt. Der Turm war abgebrochen, und das Geschütz benötigte eine spezielle Reinigung. Ich bekam wieder vierundzwanzig Stunden Arrest.
    Selbst in der Panzergarage war ich ein Sicherheitsrisiko. Eines Morgens startete ich dort meinen Panzer, stellte meinen Sitz ein und überprüfte vor dem Losfahren die Anzeigen. Alles sah gut aus, aber ich hatte das Gefühl, dass der Panzer ein bisschen wackelte, als ob der Motor stottern würde. Ich dachte: »Vielleicht sollte ich ein bisschen Gas geben, damit er wieder rund läuft.« Also gab ich Gas und behielt dabei die Messinstrumente im Auge, aber das Rütteln wurde nur noch schlimmer. Seltsam. Dann fiel mir auf, dass Staub von der Decke rieselte. Ich schaute aus der Luke und merkte, dass der Motor gar nicht im Leerlauf lief und ich stattdessen gegen die Garagenmauer fuhr. Das hatte die Erschütterung verursacht! Dann platzte ein Rohr, überall spritzte Wasser umher, und es roch nach Gas.
    Alle riefen »Anhalten! Anhalten!«, also stellte ich den Motor ab. Ich kletterte raus und rannte sofort zum Kommandanten, dem ehemaligen Kameraden meines Vaters. Er war meine letzte Hoffnung. Noch am Morgen hatte ich ihn getroffen, er hatte mich gelobt und gesagt: »Ich habe neulich Ihren Vater gesehen und ihm gesagt, wie gut Sie sich machen.«
    Also klopfte ich an seine Tür und sagte: »Ich glaube, ich habe da ein kleines Schlamassel angerichtet.«
    Er war immer noch bester Laune. »Ach, machen Sie sich keine Gedanken! Was ist es denn, Arnold?«
    »Na ja, ich glaube, das schauen Sie sich besser selbst an.«
    Er sagte: »Also gut, gehen wir.« Unterwegs klopfte er mir auf die Schulter, schließlich war er der Ansicht, dass ich mich gut machte .
    Dann sah er, wie das Wasser aus der Wand spritzte und die Kameraden aufgeregt hin und her liefen und der Panzer aus der Garagenmauer ragte.
    Seine Laune änderte sich schlagartig. Er brüllte und gab mir jeden Schimpfnamen, der ihm einfiel, und erklärte, er werde meinen Vater anrufen und alles zurücknehmen, was er heute Morgen gesagt hatte. Die Adern an seinem Hals traten hervor. Dann beruhigte er sich und sagte eisig: »Wenn wir mit dem Mittagessen fertig sind, dann ist all das repariert und wieder in Ordnung gebracht. Dass ist Ihre einzige Chance, aus der Sache rauszukommen. Trommeln Sie Leute zusammen und tun Sie was !«
    Das Schöne am Militär ist, dass es autark ist. Das Bataillon hatte ein eigenes Lager mit Baustoffen, Rohren und Backsteinen. Zum Glück war das Dach nicht eingestürzt, und auch sonst hatte das Gebäude keine irreparablen Schäden. Und mein Panzer war ohnehin aus Stahl. Die Kameraden amüsierten sich so prächtig über meinen Unfall, dass sie bereitwillig halfen. Ich musste gar nicht viel organisieren. Bis zum Nachmittag hatten wir die Rohre ersetzt und die Mauer repariert und mussten nur noch warten, bis alles trocken war, damit wir sie außen verputzen konnten. Ich fühlte mich eigentlich richtig gut, weil ich gelernt hatte, wie man Zement anrührt und Betonschalsteine mauert. Natürlich musste ich mich damit abfinden, dass ich zum Gespött der Kaserne geworden war.

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