Total Recall
siebenstündigen Bahnfahrt war ich in Stuttgart, führte meine Posen vor und genoss den Beifall. Ich gewann den Titel »Bestgebauter Juniorathlet Europas«. Ich war zum ersten Mal im Ausland und noch nie vor so vielen Zuschauern aufgetreten. Ich fühlte mich wie King Kong.
Leider wurde ich bei meiner Rückkehr in die Kaserne hart bestraft. Ich bekam vierundzwanzig Stunden Zellenarrest. Dann hörten meine Vorgesetzten von meinem Titelgewinn und hoben den Arrest auf. Während der restlichen Grundausbildung verhielt ich mich möglichst unauffällig. Schon bald konnte ich mich bei dem Panzerbataillon melden, das der Freund meines Vaters befehligte. Von da an war meine Militärzeit ein fantastisches Abenteuer. Ich richtete einen Kraftraum in der Kaserne ein, wo ich vier Stunden am Tag trainieren durfte. Auch einige Offiziere und Soldaten begannen mit dem Training. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich jeden Tag Fleisch essen – Protein in Hülle und Fülle. Ich legte so schnell an Masse zu, dass mir alle drei Monate die Uniform zu klein wurde und ich sie eine Nummer größer benötigte.
Wir begannen sofort mit der Motorradausbildung, und einen Monat später fuhren wir schon Auto. Wir lernten die Grundlagen der Mechanik, weil man in der Lage sein musste, seinen Wagen selbst zu reparieren, wenn er einen einfachen Schaden hatte. Dann kam das Lastwagenfahren an die Reihe, was gar nicht so einfach war, weil die Militärlaster kein synchronisiertes Getriebe hatten und man beim Schalten in den Leerlauf gehen und Zwischengas geben musste, damit der Motor die für den nächsten Gang richtige Drehzahl hatte. Anfangs knirschte es beim Schalten gewaltig, und es war richtig aufregend, weil wir nach ein bisschen Üben auf dem Kasernengelände sofort in den richtigen Verkehr hinausmussten. Bis einem das Schalten in Fleisch und Blut übergegangen war, war es sehr schwer, die Augen nicht von der Straße zu wenden. Einmal schaute ich nur kurz nach unten, doch als ich wieder aufsah, hatten die Autos vor mir angehalten, und ich musste hart bremsen und runterschalten und auf die Kupplung achten, während mich der Fahrlehrer anbrüllte. Auf dem Rückweg war ich schweißgebadet. Auch eine Methode, Körperfett zu verlieren!
Auch die nächste Stufe, das Rangieren mit Sattelschleppern, war schwierig, vor allem das Rückwärtsfahren mit Hilfe der Außenspiegel, wobei man in die umgekehrte Richtung lenken musste, um den Anhänger an die richtige Stelle zu bugsieren. Bis ich das gelernt hatte, brauchte ich eine Weile und ramponierte dabei einige Fahrzeuge und Gebäude. Doch es war ein gutes Gefühl, als ich es geschafft hatte und endlich Panzer fahren durfte.
Der M47 ist so gebaut, dass man ihn einhändig steuern kann; mit einem Joystick kontrolliert man die Gänge und den Antrieb der Ketten. Der Fahrer sitzt in der vorderen linken Ecke der Wanne und hat eine Bremse und ein Gaspedal zu seinen Füßen. Der Metallsitz kann höher oder niedriger gestellt werden. Normalerweise fährt man mit aufgeklappter Luke und streckt den Kopf hinaus, damit man besser sieht. Doch in der Schlacht lässt man den Sitz runter, schließt die Luke und schaut durch ein Periskop. Für Nachtfahrten gab es ein primitives Infrarotlicht, mit dem man die Umrisse von Bäumen, Büschen und anderen Panzern erkennen konnte. Ich passte trotz meiner Größe in den Sitz, doch das Fahren mit geschlossener Luke war eine ziemlich klaustrophobe Geschichte. Ich war sehr stolz, dass ich ein so großes Gerät fahren durfte, das so ganz anders war als alles, was ich bisher kannte.
Das nächste Übungsgelände war ein Gebiet entlang der Bergkette zwischen Thal und Graz. Wir mussten dafür die Kaserne verlassen und eineinhalb Stunden eine kurvige Schotterstraße hinauffahren – eine Kompanie mit zwanzig Panzern, die an Häusern und Dörfern vorbeirumpelten. Normalerweise fuhren wir nachts, weil dann so gut wie kein Verkehr herrschte. Ich war stolz auf meine Fahrkünste, ich konnte präzise manövrieren und relativ weich durch Löcher und Gräben fahren, sodass mein Kommandant und die Besatzung nicht allzu sehr durchgerüttelt wurden. Allerdings zog ich zu dieser Zeit auch Katastrophen aller Art geradezu magnetisch an.
Wenn wir im Gelände übernachteten, hatten wir einen festen Ablauf. Zuerst ein bisschen Krafttraining. Ich hatte Gewichtscheiben, Hanteln und eine Hantelbank oben auf dem Panzer verstaut, wo normalerweise das Werkzeug mitgeführt wurde. Die anderen schlossen sich mir
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