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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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das Wichtigste, was ich lernte, war das Verkaufen. Bei uns galt die Regel: Kein Kunde verlässt das Geschäft, ohne dass man ihm etwas verkauft hat. Wem das nicht gelang, der war ein schlechter Verkäufer. Selbst wenn es nur eine kleine Schraube war, man musste etwas verkaufen. Das hieß, sämtliche Möglichkeiten zu nutzen. Wenn ich kein Linoleum verkaufen konnte, schwatzte ich dem Kunden wenigstens ein Bodenputzmittel auf.
    Mit dem zweiten Lehrling Franz Janz freundete ich mich schnell an. Auch er war von Amerika begeistert, und wir redeten endlos über die Vereinigten Staaten und versuchten sogar, den Namen Schwarzenegger ins Englische zu übersetzen. Wir einigten uns auf »Black Corner«, obwohl es, wie ich heute weiß, eher »Black Plowman« hätte heißen müssen. Ich nahm Franz mit in den Kraftraum und versuchte, ihn fürs Training zu begeistern, doch ohne Erfolg. Er interessierte sich mehr fürs Gitarrespielen – er war Mitglied der Mods, der ersten Grazer Rockband.
    Doch Franz verstand, wie viel mir das Training bedeutete. Eines Tages entdeckte er ein Hantelset, das jemand weggeworfen hatte. Er transportierte die Langhanteln auf einem Schlitten zu sich nach Hause und überredete seinen Vater, den Rost abzuschleifen und die Hanteln zu lackieren. Dann brachte er sie mir nach Hause. Kurzerhand verwandelte ich den ungeheizten Flur neben der Treppe in meinen hauseigenen Kraftraum. Von da an konnte ich mein Training noch steigern und zu Hause trainieren, wenn ich es nicht zum Stadion schaffte.
    Bei Meyer-Stechbarth galt ich als der Lehrling, der nach Amerika wollte. Die Matschers hatten sehr viel Geduld mit uns Auszubildenden. Sie brachten uns bei, wie man mit Kunden und untereinander umgeht und sich selbst Ziele setzt. Frau Matscher war entschlossen, die ihrer Ansicht nach bestehenden Lücken in unserer Erziehung zu füllen. Sie fand, dass wir Schwächen in gehobener Konversation hatten, und wollte uns weltgewandter machen. Also setzte sie sich mit uns zusammen und sprach über Kunst, Religion und aktuelle Ereignisse. Als Belohnung für unsere Mühe gab es Marmeladenbrote.
    Etwa zur selben Zeit, als Frau Matscher meinen kulturellen Horizont erweiterte, erzielte ich auch meine ersten sportlichen Erfolge. Eine Bierhalle mag ein seltsamer Ort für den Beginn einer sportlichen Karriere sein, doch in meinem Fall war es so. Im März 1963 bestritt ich im Alter von fünfzehn Jahren meinen ersten Wettkampf im Trikot der Athletik Union – schwarze Trainingsschuhe, braune Socken, ein schwarzes Trikot mit schmalen Trägern und dem Vereinsabzeichen auf der Brust. Wir traten gegen einen rivalisierenden Gewichtheberverein an, zur Unterhaltung der etwa drei- oder vierhundert Zuschauer, die an langen Tischen saßen, rauchten und mit ihren Bierkrügen anstießen.
    Ich trat zum ersten Mal vor Publikum an, daher war ich entsprechend aufgeregt und nervös. Ich rieb mir die Hände mit Kreide ein, damit mir die Stange nicht wegrutschte, und schaffte beidarmig auf Anhieb 70 Kilo, mein übliches Gewicht. Die Menge jubelte. Der Applaus hatte einen ungeahnten Effekt auf mich. Ich konnte es kaum erwarten, dass ich wieder an der Reihe war. Dieses Mal schaffte ich zu meiner eigenen Überraschung 85 Kilo – 15 Kilo mehr als je zuvor beim Training. Manche sind vor Publikum besser, andere schlechter als im Training. Ein Gewichtheber aus der anderen Mannschaft, der normalerweise besser war als ich, wurde nervös durch die Zuschauer und scheiterte bei seinem letzten Versuch. Danach erzählte er mir, dass er sich einfach nicht so gut wie im Kraftraum konzentrieren konnte. Bei mir war es genau umgekehrt. Ich stellte fest, dass ich vor Publikum deutlich bessere Leistungen erzielte. Die Zuschauer beflügelten mich, gaben mir Kraft und stärkten mein Ego noch.

Kapitel 3
    Bekenntnisse eines Panzerfahrers
    Die Kaserne bei Graz war Standort einer Panzerdivision des österreichischen Bundesheers. Ich hatte mich darüber informiert, weil in Österreich Wehrpflicht herrschte und ich nach einer Möglichkeit suchte, den Militärdienst mit meinem großen Ziel in Einklang zu bringen. Mir war klar, dass jemand mit meinem Körperbau in der Infanterie landen würde, um dort Maschinengewehre und Munition die Berge hinaufzuschleppen. Doch die Infanterie war in Salzburg stationiert, und das passte nicht zu meinen Plänen. Ich wollte in Graz bleiben und mein Training fortsetzen, denn ich wollte nicht Krieg führen, sondern eines Tages Weltmeister im

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