Total Recall
Bodybuilding werden. Natürlich hatte das österreichische Bundesheer auch nicht vor, Krieg zu führen. Österreich hatte eine Armee, weil wir eine haben durften. Doch die Streitkräfte waren klein, und niemand dachte wirklich an eine aktive militärische Auseinandersetzung.
Ich freute mich auf den Militärdienst, weil ich dadurch zum ersten Mal von zu Hause wegkam. Ich hatte gerade meine Lehre abgeschlossen, und je schneller ich den Militärdienst hinter mich gebracht hatte, desto früher bekam ich einen Reisepass.
Panzerfahren klang wirklich gut. Mehrere Freunde waren inzwischen beim Bundesheer und in Graz stationiert, und ich löcherte sie mit Fragen über mögliche Aufgaben beim Militär. Es gab viele Positionen für neue Rekruten, man konnte auch in der Verwaltung oder in der Küche arbeiten, wo man nichts mit Panzern zu tun hatte. Meine Freunde waren bei den Panzergrenadieren, das heißt, sie sollten die Panzer der Panzertruppe unterstützen, auf Schützenpanzern mitfahren, herunterspringen und nach Panzerabwehrminen suchen und so weiter.
Mich jedoch faszinierten vor allem die Panzer selbst. Ich habe nun einmal eine Vorliebe für große, schwere Geräte, und die in Amerika gebauten Kampfpanzer M47 Patton, benannt nach General George S. Patton, gehörten mit einer Breite von 3,50 Metern, einem Gewicht von 50 Tonnen und 800 PS eindeutig in diese Kategorie. Der Panzer konnte mühelos eine Mauer durchbrechen, ohne dass die Besatzung überhaupt etwas davon bemerkte. Ich staunte, dass man einem Achtzehnjährigen ein so großes und teures Fahrzeug anvertraute. Ein weiterer Pluspunkt bei der Ausbildung zum Panzerfahrer bestand darin, dass man zuerst den Motorradführerschein, den Pkw- und den Lkw-Führerschein machte und lernte, mit einem Sattelschlepper zu rangieren, bevor man auf einen Panzer gelassen wurde. Das Militär bezahlte die Ausbildung, die sonst ein kleines Vermögen gekostet hätte. Außerdem hatte das Bundesheer nur neunhundert Panzer, und ich wollte mich schon damals gern von den anderen abheben.
Mein Vater hätte es immer noch gern gesehen, wenn ich Polizist oder Berufssoldat geworden wäre, daher legte er für mich ein Wort bei einem alten Kriegskameraden ein, der mittlerweile Kommandant des Grazer Stützpunkts war. Er war ein großer Sportfan und freute sich, mich in seinen Reihen zu haben. Nach meiner Grundausbildung sorgte er dafür, dass ich in der Kaserne einen Kraftraum einrichten konnte.
Alles hätte perfekt gepasst, doch in einem Punkt hatte ich mich verrechnet. Inzwischen nahm ich regelmäßig an Wettkämpfen im Gewichtheben und Bodybuilding teil und gewann Preise. Ich war bei den Junioren regionaler Meister im Gewichtheben und hatte im Sommer gerade die österreichischen Meisterschaften im Kraftdreikampf in der Schwergewichtsklasse gewonnen und dabei Männer mit deutlich mehr Erfahrung geschlagen. Man sah zwar auf den ersten Blick, dass ich trotz meiner Muskeln immer noch ein zu groß geratener Junge war, dennoch absolvierte ich bereits meine ersten Bodybuilding-Wettkämpfe. Ich gewann eine regionale Meisterschaft und wurde sogar Dritter beim Kampf um den Titel des Mister Austria – war also gut genug, um mit Kurt Marnul auf einer Bühne zu stehen, der immer noch der König war. Kurz vor meiner Einberufung hatte ich mich zu meinem ersten internationalen Wettkampf angemeldet, der Juniorenveranstaltung des Mister Europa in Stuttgart – ein wichtiger Schritt in meinem Plan. Was ich nicht gewusst hatte, war, dass ich Graz während meiner sechswöchigen Grundausbildung nicht verlassen durfte.
Gegen die Grundausbildung an sich hatte ich nichts. Ich lernte dabei, dass man auch Dinge schaffen kann, die einem eigentlich unmöglich scheinen. Hatten wir es etwa für möglich gehalten, dass wir mit kompletter Ausrüstung diesen Felsvorsprung da hinaufkommen würden? Nein. Aber als es uns befohlen wurde, schafften wir es. Und auf dem Weg stopften wir uns auch noch die Taschen mit Pilzen voll, aus denen uns der Koch dann am Abend eine Suppe kochte.
Trotzdem wollte ich unbedingt zum Wettkampf um den Titel »Junior Mister Europa« antreten. Ich nutzte jede freie Minute, um auf dem Klo meine Posen zu üben. Ich flehte den Ausbilder an, den Wettkampf wie einen Notfall in der Familie zu behandeln und mich nach Stuttgart reisen zu lassen. Keine Chance. Am Abend vor dem Wettkampf dachte ich schließlich: »Ihr könnt mich mal«, und marschierte einfach zum Kasernentor hinaus.
Nach einer
Weitere Kostenlose Bücher