Total Recall
von »Proposition 98«, die die Wähler im Jahr 1988 billigten, beansprucht die Schulbildung fast die Hälfte des gesamten Staatsbudgets. Und dabei ist das Geld für den Bau von Schulen noch ebenso wenig eingerechnet wie die Finanzierung der Lehrerpensionen oder die Milliarden Dollar der staatlichen Lotterie, die für die Bildung vorgesehen sind. »Proposition 98« stellt sicher, dass die Bildungsausgaben jedes Jahr steigen, ganz unabhängig davon, ob der Staat ebenfalls mehr Geld einnimmt. Die Formel, die das regelt, ist so undurchsichtig, dass nur der Mann, der sie entwickelt hat, genau weiß, wie sie funktioniert. Sein Name ist John Mockler. Er pflegt gern zu scherzen, dass er sie absichtlich so kompliziert gemacht habe, um dann mit dem Erklären der Formel das nötige Geld zu verdienen, um seinem Kind die Ausbildung in Stanford zu ermöglichen. Das überparteiliche Beratungsgremium »Legislative Analyst« musste extra ein zwanzigminütiges Video drehen, um den Parlamentariern zu erklären, wie das Gesetz funktioniert, und dazu mussten sie tatsächlich Mockler als Berater anheuern.
Wenn man jetzt das Problem mit der Formel zur Bildungsfinanzierung mit tausend multipliziert, bekommt man in etwa ein Bild von den Zuständen in Sacramento. Das hauptamtlich arbeitende Parlament in Sacramento verabschiedet jedes Jahr so viele neue Gesetze – über tausend –, dass die Abgeordneten gar nicht die Zeit haben, sie alle zu lesen, bevor sie darüber abstimmen. Die Wähler sind so entnervt, dass sie die wichtigen Gesetze per Volksentscheid – wie »Proposition 98« – verabschieden, um Sacramento zu zwingen, sich endlich auf echte Probleme, wie die Beschaffung der nötigen Mittel für die Bildung, zu konzentrieren. Es ist absurd.
Sacramento wurde in den Anfangsjahren »Boomtown on the river« genannt. Aus gutem Grund: Die Stadt war der wichtigste Handelsposten beim großen kalifornischen Goldrausch von 1849. Als die Kalifornier die Stadt zur Hauptstadt ihres Staates machten, errichteten sie ein grandioses Kapitol, das dem Kapitol in Washington D. C. Konkurrenz machen sollte. Aber sie schafften es nicht, auch noch ein Weißes Haus zu bauen, und deshalb gibt es keinen Amtssitz für den Gouverneur. Er und sein Stab teilen sich das Kapitol mit den beiden Kammern des Parlaments, und jeder Gouverneur entscheidet selbst, wo er wohnen will. Da Maria und ich die Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen wollten, mietete ich die Suite im obersten Stock eines Hotels in der Nähe des Kapitols, während sie mit den Kindern in Los Angeles blieb. Ich hatte vor, so oft wie möglich zu pendeln.
Die Büros des Gouverneurs werden »das Hufeisen« genannt: Sie belegen drei Seiten eines offenen Atriums im Erdgeschoss des Kapitols. Die Büros der Abgeordneten befinden sich in den fünf Stockwerken darüber. Das Protokoll legte fest, dass der Gouverneur sich nicht vom Fleck rührte und die Parlamentarier, die mit ihm sprechen wollten, nach unten kommen mussten. Das war ganz und gar nicht mein Stil, also verließ ich mein Büro und fuhr mit dem Lift nach oben, wenn ich etwas mit den Abgeordneten zu besprechen hatte. Als Filmstar hatte ich einen tollen Einstand. Die Parlamentarier wussten vielleicht nicht, was sie von mir als Gouverneur halten sollten, aber ihre Mitarbeiter wollten Fotos mit mir und baten um Autogramme für ihre Kinder. Falls der eine oder andere Abgeordnete womöglich Angst hatte, dass ich auftreten würde wie in meinen Filmen – die meisten Leute glauben im Grunde, dass ein Schauspieler wirklich so ist wie im Film –, dann wollte ich, dass sie in mir nicht den Terminator, sondern lieber den freundlich aufgeschlossenen Julius in Twins sahen.
Ich hatte den Wählern versprochen, dass ich bald Ergebnisse liefern würde. Nur eine Stunde nach der Vereidigung strich ich die Verdreifachung der Kfz-Zulassungssteuer und schaffte kurz darauf mit der Hilfe der Abgeordneten in den oberen Stockwerken das Gesetz ab, das es illegalen Einwanderern erlaubte, einen Führerschein zu machen. »Also, das nenne ich schnelles Handeln«, sagte ich in die Kameras. Innerhalb von nur zwei Wochen nach Amtsantritt stellte ich dem Parlament das Paket zur Rettung der Finanzen vor, auf das ich meinen Wahlkampf aufgebaut hatte – einschließlich eines Vorschlags zur Refinanzierung der Schulden Kaliforniens, einer radikalen Haushaltsreform und einer Reform der staatlichen Unfallversicherung, die Unternehmen aus dem Bundesstaat vertrieb.
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