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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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Popularität, mich als ungehobelten Klotz hinzustellen. Ich startete daher in diesem ersten Jahr gezielt eine Charmeoffensive bei den Abgeordneten und ermutigte sie ausdrücklich, mit mir zusammenzuarbeiten. Ich gratulierte ihren Müttern zum Geburtstag. Ich lud sie ein, in meinem Raucherzelt im Atrium vor meinem Büro auf einen Plausch vorbeizukommen. Das Zelt hatte die Größe eines gemütlichen Wohnzimmers, war mit bequemen Rattansesseln, einem Konferenztisch, einem schönen Humidor, Lampen und einem Kunstrasen ausgestattet. Fotos hingen an den Wänden, oder eher an Drähten an den Metallstangen des Zeltes. Ich hatte es aufgestellt, um einen Ort zu haben, an dem ich meine Stumpen rauchen konnte, denn Rauchen war und ist in öffentlichen Gebäuden in Kalifornien verboten, doch die Leute nannten es bald mein Verhandlungszelt.
    Besondere Aufmerksamkeit widmete ich wichtigen Wortführern wie dem Senatspräsidenten John Burton und dem Vorsitzenden der Assembly Herb Wesson. John war ein bärbeißiger Demokrat aus San Francisco, der meine Amtseinführung konsequent boykottiert hatte. Er trug eine Brille mit rundem Drahtgestell und einen buschigen weißen Schnurrbart. Als wir uns das erste Mal trafen, musste er sich überwinden, mir überhaupt die Hand zu geben. Also schickte ich Blumen. Als wir uns ein bisschen besser kennenlernten, stellte sich schnell heraus, dass wir einiges gemeinsam hatten. Er konnte ein bisschen Deutsch, weil er in seiner Militärzeit in Europa stationiert gewesen war. (Er war ein Bewunderer von Fürst von Metternich, dem österreichischen Staatsmann.) Oft waren wir unterschiedlicher Meinung, vor allem in der ersten Zeit. Letztendlich jedoch stellten wir fest, dass unsere Ansichten zu wichtigen sozialen Themen wie Krankenversicherung und Pflegeunterbringung übereinstimmten, und wir kamen so weit, dass wir sagen konnten: »Vergessen wir die öffentlichen Schlammschlachten und suchen wir uns lieber Dinge, an denen wir arbeiten können.« So entstand eine effektive Zusammenarbeit, ja sogar eine Freundschaft. Manchmal kam er im Zelt vorbei, nur um mir Apfelstrudel und »Schlag« für meinen Espresso zu bringen.
    Herb Wesson, der Vorsitzende der Assembly, war ein lockerer Typ, Demokrat aus Los Angeles, höchstens 1,65 Meter groß, der mich immer damit aufzog, dass ich doch wohl nicht wirklich die 1,88 Meter groß sei, die in meinem Lebenslauf stünden. Ich stichelte zurück, nannte ihn meinen Danny DeVito und schickte ihm ein Kissen, damit er auf seinem Stuhl höher saß. Ihn lernte ich nicht so gut kennen wie John, weil sich seine Amtszeit bereits dem Ende näherte. Sein Nachfolger, ein smarter früherer Gewerkschaftsführer namens Fabian Núñez, ebenfalls aus Los Angeles, sollte später einer meiner engsten Verbündeten bei den Demokraten werden.
    Dieser nette Umgang mit den Abgeordneten half mir, meine Reformideen in die Gesetzgebungsdebatte einzubringen, und führte zu einigen Übereinkünften, die ein wichtiger Anfang waren. Doch nachdem ich eine Reihe verschiedener Manöver ausprobiert hatte, stellte ich fest, dass Volksentscheide die weitaus größte Hebelwirkung hatten. Wegen meines hohen Beliebtheitsgrades konnte ich immer damit drohen, mich direkt an die Wähler zu wenden, und so die Parlamentarier zu Kompromissen drängen, die sie sonst nicht eingegangen wären.
    Auf diese Weise schoben wir auch dem Missbrauch der Unfallversicherung einen Riegel vor. Im Wahlkampf war das eines meiner Kernthemen gewesen, denn es vergiftete unsere Wirtschaft und vergraulte die Unternehmen. Wie in allen Bundesstaaten müssen die Arbeitgeber auch bei uns eine Versicherung tragen, die die medizinische Versorgung und den entgangenen Arbeitslohn von Arbeitern bezahlt, die sich bei der Arbeit verletzt haben. In Kalifornien jedoch waren die Premien auf das Doppelte des nationalen Durchschnitts gestiegen. Wie war das passiert? Vor allem hatten die Demokraten die einschlägigen Gesetze so schlampig formuliert, dass es leicht war, Schindluder mit dem System zu treiben. Ich kannte einen Mann, der sich beim Skifahren am Wochenende ein Bein gebrochen hatte. Doch er ging erst nach der Arbeit am Montag zum Arzt und sagte: »Ich habe mir das Bein bei der Arbeit verletzt.« Wenn Unternehmen Betrügereien wie diese vor Gericht brachten, gewannen in der Regel die Arbeiter. Ein Mann im Fitnessstudio, der 90 Kilo stemmte, erklärte mir: »Ich bin arbeitsunfähig geschrieben.«
    »Was soll das heißen?«, fragte ich. »Du hebst

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