Total Recall
Unternehmenssteuer außer Kraft setzen, die wir in unserem Kompromiss von 2009 mit so viel Mühe durchgeboxt hatten. Die Reaktion war typisch: Erst beschließt man eine historische überparteiliche Übereinkunft zu Steuererhöhungen und gleichzeitigen Steuerreformen, um die Kosten für die Betriebe zu senken, und dann kommt die Gewerkschaft und versucht, die Reformen zu widerrufen, denn ihre Steuererhöhungen haben sie ja bekommen.
Die dritte Maßnahme war das Herzstück. Die »Proposition 23« hatten vor allem texanische Ölkonzerne eingebracht und finanziert, um unser historisch bedeutsames Gesetz zum Klimaschutz, den »Global Warming Solutions Act«, aufzuheben. Ihre Kampagne spielte mit den Ängsten der Menschen und behauptete, unsere Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel würden die Arbeitslosigkeit weiter steigen lassen. Sie schalteten Werbespots mit dem Slogan »Jobs zuerst – Ja zu 23«. Wir antworteten mit einer sehr gelungenen Kampagne, die unter anderem von George Shultz, meinem Freund Jim Cameron sowie dem Finanzmanager Tom Steyer, der einen Wagniskapitalfonds für saubere Technologien gegründet hatte, geleitet wurde und die 25 Millionen Dollar einbrachte. Einer der Werbespots zeigte ein Kind, das nach einem Inhalator greift und nur sehr schwer atmen kann. Wie setzten uns nicht nur gegen »Proposition 23« durch. Wir pulverisierten sie. Damit beendeten wir alle Hoffnungen der texanischen Ölindustrie, Kaliforniens Führung beim Klimaschutz zunichte zu machen.
Tatsächlich billigten die Wähler trotz der erbitterten Gegnerschaft der politischen Parteien, Gewerkschaften und Ölkonzerne in jenem Jahr alle unsere Initiativen: die politische Reform, die Steuerreform und die massive Unterstützung unserer Anstrengungen zum Klimaschutz. Es war ein großartiges Gefühl, wieder im Zentrum der Macht zu sein und das Volk hinter sich zu wissen.
Wir hatten die Kurve gekriegt. Überall in Kalifornien erlebte man, wie eine neue Energiewirtschaft Fuß fasste. Ein Jahrzehnt, das mit Stromausfällen und verzweifelten Menschen begonnen hatte, endete damit, dass der Staat mehr Projekte für erneuerbare Energien bewilligte als der Rest der Vereinigten Staaten zusammen und diese Bewegung entschlossen anführte. Ein Staat, der Freeways und Autos liebte, stellte sich jetzt an die Spitze der Nation, wenn es um die Entwicklung alternativer Treibstoffe ging. Ein Staat, der im Reformstau feststeckte, sprengte jetzt uralte, verknöcherte Parteienstrukturen, die die politischen Parteien von den Wählern, die sie eigentlich repräsentieren sollen, abgeschirmt hatten.
Mein Terminplan wurde voller, als sich meine Amtszeit dem Ende zuneigte. Ich kann mit Stolz behaupten, dass es mir auf meiner Handelsmission nach Asien im September erstmals gelang, sechsunddreißig Arbeitsstunden in einen einzigen Tag zu packen. Am Mittwoch, dem 15. September, traf ich um acht Uhr morgens in Seoul Vertreter der Amerikanischen Handelskammer im Grand Hilton. Dann verbrachte ich einige Zeit mit Athleten der Special Olympics, sprach mit den Geschäftsführern von Korean Air und Hyundai, plauderte mit dem Bürgermeister von Seoul, unterzeichnete ein Abkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Südkorea und Kalifornien, fuhr mit einem Hochgeschwindigkeitszug, besuchte ein Kaufhaus und sprach zu in Korea stationierten US-Soldaten. Als ich von der schweren Explosion einer Gas-Pipeline in San Bruno erfuhr, brach ich meinen Besuch ab und flog nach Kalifornien zurück. Dabei überquerte ich die internationale Datumsgrenze, sodass es wieder Mittwochnachmittag war, als ich dort ankam. In San Bruno besichtigte ich den Ort des Geschehens, wurde von den zuständigen Leitern der Katastrophenhilfe informiert und sprach mit Opfern, die noch unter Schock standen. Ich tröstete Familien, die ihr Zuhause, ihre Angehörigen, Freunde verloren hatten. Ich habe wirklich schon viel gesehen und erlebt, aber nichts hat sich stärker in mein Gedächtnis eingebrannt als der Blick eines Menschen, der gerade alles, was er auf der Welt liebte, verloren hat. Hier sah ich diesen Blick wieder.
Im Dezember, nachdem die Wähler entschieden hatten, dass Jerry Brown mein Nachfolger werden würde, und die Amtsübergabe geplant war, fragte ein Reporter, warum ich jetzt nicht einen Gang zurückschaltete, wie es die meisten Gouverneure nach zwei hektischen Amtszeiten getan hätten. Ich erklärte ihm, dass ich diese Sache wie alle anderen bis zum Ende durchziehen wollte.
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