Total Recall
gezeichnet, und Maria hatte gemeinsam mit ihren Brüdern die schwere Entscheidung getroffen, ihn in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen.
Wir hatten gerade begonnen, unsere Trennung zu organisieren und mit den Kindern darüber zu reden, als Sarge starb. Es war ein furchtbarer Verlust. Sarge war der letzte Vertreter einer ganzen Generation einflussreicher Persönlichkeiten aus dem Shriver- und Kennedy-Klan. Die Totenmesse in Washington am 22. Januar 2011 fand fast auf den Tag genau fünfzig Jahre nach der Gründung des Friedenkorps statt, dessen erster Direktor er war. Joe Biden, First Lady Michelle Obama, Bill Clinton und viele andere wichtige Menschen nahmen an der Messe teil, und Maria ehrte ihren Vater mit einer schönen und bewegenden Gedenkrede, in der sie auch darüber sprach, wie Sarge ihren Brüdern beigebracht hatte, Frauen zu respektieren. Ich schätze, das war zum Teil auf mich gemünzt. Andererseits hatte sie sich schon früher lobend über diesen Aspekt ihres Vaters geäußert.
Nach der Beisetzung flog Maria mit mir und den Kindern nach Los Angeles zurück, nur Christina blieb in Georgetown in Washington. Wir trennten uns ohne großes Tamtam. Im April zog sie in eine Eigentumswohnung um, die an ein Hotel in der Nähe unseres Hauses angegliedert war. Dort gab es viel Platz für die Kinder, wenn sie zwischen ihrer Wohnung und unserem Haus hin- und herpendelten.
Ich fragte mich, was mich dazu gebracht hatte, untreu zu werden, und wie ich es geschafft hatte, Maria so lange Jahre nichts von Joseph zu erzählen. Viele Menschen, egal, wie erfolgreich sie im Leben sind, treffen dumme Entscheidungen, wenn Sex im Spiel ist. Man hat das Gefühl, dass man damit durchkommt, wenn man sich über die Regeln hinwegsetzt, doch tatsächlich zieht das eigene Handeln immer Folgen nach sich. Wahrscheinlich spielte auch meine Herkunft eine Rolle und die Tatsache, dass ich so früh von zu Hause weggegangen war. Beides hatte zu einer gewissen emotionalen Verhärtung geführt und hatte mein Verhalten in einer Weise geprägt, dass ich nicht sorgfältig genug mit diesen Dingen umging.
Wie ich dem Therapeuten erklärt hatte, ist das Schweigen Teil meines Wesens. So sehr ich Gesellschaft liebe und auch suche, verspüre ich doch immer den Drang, die großen Wellen des Lebens allein zu reiten. In Schlüsselmomenten meines Lebens ließ ich mir nicht in die Karten schauen – etwa, als ich mir die Entscheidung, als Gouverneur zu kandidieren, bis zu dem Moment offenließ, wo ich mit Jay Leno vor die Kamera trat. Ich habe geschwiegen – und manchmal verdrängt –, um mit schwierigen Herausforderungen fertigzuwerden, etwa als ich meine Herzoperation für mich behalten hatte und so tun wollte, als sei es nur eine Art Urlaub. Diesmal machte ich den Mund nicht auf, um Maria nicht etwas gestehen zu müssen, das sie zwangsläufig verletzen würde, obwohl das Vertuschen die Sache letztlich nur noch schlimmer machte. Als für mich feststand, dass Joseph mein Sohn war, wollte ich nicht, dass diese Situation meine Regierungsfähigkeit einschränkte. Ich beschloss, die Angelegenheit geheim zu halten, nicht nur Maria gegenüber, sondern auch vor meinen engsten Freunden und Beratern. Was die Politik betraf, so hatte ich nicht das Gefühl, dass es irgendjemanden etwas anging, denn ich hatte mir im Wahlkampf nie das Thema Familie groß auf die Fahnen geschrieben. Die Tatsache, dass ich als Ehemann und Vater, als Mann mit Familie und Ehefrau Menschen enttäuscht hatte, verdrängte ich. Ich hatte sie alle im Stich gelassen. Auch Joseph – ich war ihm nicht der Vater, den ein Junge braucht. Ich hatte gewollt, dass Mildred weiter in unserem Haus arbeitete, weil ich dachte, ich könnte die Situation so besser kontrollieren, aber auch das war letztlich falsch gewesen.
Die Öffentlichkeit bekam erst im Mai mit, dass Maria und ich uns getrennt hatten. Irgendwann rief die Los Angeles Times an und stellte Fragen. Wir reagierten mit einer Stellungnahme, dass wir uns »einvernehmlich getrennt« hätten und an der Zukunft unserer Beziehung arbeiteten. Wie vorauszusehen, löste die Nachricht einen riesigen Medienrummel aus, noch verstärkt dadurch, dass wir keine Gründe angegeben hatten.
Der Therapeut meinte, wir sollten die Wahrheit sagen, »damit klar ist, wer hier das Opfer und wer der Täter ist«. Ich war dagegen, weil ich nicht mehr im Dienst des Staates stand und nicht verpflichtet war, den Leuten mein Privatleben offenzulegen. Ich musste
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