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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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Gerät sind in dem Fall der Meißel, und das Modellieren kann ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen.
    Voraussetzung ist, dass man seinen Körper und dessen Schwachstellen ehrlich analysiert. Die Richter bei den großen Wettkämpfen achten auf jedes Detail: die Größe der Muskeln, ihre Definition, die Proportionen und Symmetrie. Sie sehen sich sogar die Venen an, da deren gute Sichtbarkeit auf einen geringen Körperfettanteil hinweist.
    Im Spiegel erkannte ich jede Menge Stärken und Schwächen. Ich hatte erfolgreich eine Grundlage an Kraft und Masse geschaffen. Durch die Kombination von Gewichtheben, Kraftdreikampf und Bodybuilding hatte ich einen breiten, muskelbepackten Rücken bekommen, der nahezu perfekt war. Meine Bizepsmuskeln waren außergewöhnlich groß und hoch und hatten einen beachtlichen Umfang. Ich hatte gut definierte Brustmuskeln und zeigte die beste seitliche Brustpose aller Bodybuilder. Mit meinen breiten Schultern und den schmalen Hüften hatte ich den geeigneten Körperbau, um die ideale V-Form zu erreichen.
    Aber im Verhältnis zu meinem Torso waren meine Gliedmaßen zu lang. Ich musste ständig am Muskelaufbau meiner Arme und Beine arbeiten, damit die Proportionen stimmten. Selbst mit einem massiven Oberschenkelumfang von vierundsiebzig Zentimetern wirkten meine Beine immer noch schlank. Und meine Waden sahen im Vergleich zu den Oberschenkeln noch dünner aus. Mein Trizeps konnte es nicht mit meinem Bizeps aufnehmen.
    An all diesen Schwachstellen musste ich arbeiten. Der Mensch neigt von Natur aus dazu, die Dinge zu tun, die er ohnehin gut kann. Wenn man dicke Bizeps hat, will man zahllose Curls machen, weil es so befriedigend ist, zuzusehen, wie sich der ohnehin schon mächtige Bizeps anspannt. Aber stattdessen muss man brutal ehrlich zu sich selbst sein und sich auf seine Schwachstellen konzentrieren. Man braucht dazu ein gutes Auge, die Fähigkeit zur Selbstkritik und auch die Fähigkeit, auf andere zu hören. Bodybuilder, die blind für ihre Schwächen und taub für die Ratschläge anderer sind, bleiben normalerweise hinter den anderen zurück und verlieren im Wettkampf.
    Eine noch größere Herausforderung besteht darin, dass sich manche Körperteile schneller entwickeln als andere. Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wenn man mit dem Training anfängt, merkt man nach zwei Jahren vielleicht: »Hey, interessant, dass meine Unterarme nie so viel Muskelmasse aufbauen wie meine Oberarme«, oder: »Irgendwie werden meine Waden einfach nicht muskulöser.« Mein Schwachpunkt waren eben die Waden. Ich begann beim Wadentraining mit zehn Sets dreimal die Woche wie bei den anderen Körperpartien auch, aber meine Waden sprachen auf das Training nicht so an wie die anderen Muskelgruppen, die sich viel schneller entwickelten.
    In dieser Hinsicht öffnete mir Reg Park wirklich die Augen. Er hatte perfekte Waden mit mehr als dreiundfünfzig Zentimeter Umfang, deren Muskeln so vollentwickelt waren, dass sie sich unter der Haut in Form eines umgekehrten Herzens abzeichneten. Als ich mit ihm in Südafrika trainierte, hatte ich allerdings auch gesehen, wie er dafür schuftete. Ich sagte mir, dass ich auch so hart an meinen Waden arbeiten müsse. Ich musste meine Wadenmuskeln völlig anders trainieren, bis ihnen gar nichts anderes mehr übrigblieb, als sich kräftig zu entwickeln. Zurück in Kalifornien, schnitt ich sämtliche langen Trainingshosen auf Kniehöhe ab. Meine Pluspunkte wie Bizeps, Brust, Rücken und Oberschenkel hielt ich bedeckt, achtete aber darauf, dass meine Waden immer zu sehen waren. Ich war gnadenlos und machte beim Wadenheben jeden Tag fünfzehn Sets, manchmal auch zwanzig.
    Ich wusste genau, auf welche Muskeln ich mich konzentrieren und wie ich sie systematisch trainieren musste. Allgemein hatte ich bessere Muskeln für Zugbewegungen (Bizeps, Latissimus, Rückenmuskeln) als für Druckbewegungen (die vorderen Deltamuskeln, Trizeps). So waren nun einmal meine Erbanlagen, was bedeutete, dass ich bei diesen Muskeln härter trainieren und mehr Sets absolvieren musste. Ich hatte einen starken Rücken aufgebaut, aber jetzt musste ich mir überlegen, wie ich den Latissimus, die Brustmuskeln und den Serratus, also die Muskelgruppe an der Seite des Brustkorbs, ideal definieren und voneinander abgrenzen konnte. Ich musste Übungen für den Serratus machen, also mehr enge Klimmzüge. Der Latissimus sollte ein bisschen tiefer ansetzen, was Seitheben am Kabel und einarmiges Seitheben erforderte.

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