Total Recall
Den hinteren Deltamuskel trainierte ich mit beidseitigem Seitheben im Stehen.
Ich hatte eine lange Liste mit Muskeln, die ich mir vorknöpfen musste. Zum Beispiel den hinteren Deltamuskel, den tieferen Latissimus, die Interkostalmuskulatur, die Bauchmuskeln, die Wadenmuskeln und so weiter und so weiter. Alle mussten aufgebaut, modelliert und definiert werden und dann auch noch die richtigen Proportionen im Verhältnis zu den anderen Muskeln haben. Jeden Morgen frühstückte ich mit einem oder zwei Trainingspartnern, normalerweise in einem Lokal namens Zucky’s an der Ecke 5th Street und Wilshire Boulevard. Dort gab es Thunfisch, Eier, Lachs. Lauter Sachen, die ich mochte. Oder wir gingen in ein Familienrestaurant wie Denny’s und frühstückten dort.
Wenn ich keinen Englischunterricht hatte, ging ich danach direkt zum Gold’s Gym und trainierte. Später trafen wir uns vielleicht am Strand, wo wir an der frischen Luft weitertrainierten, ein bisschen schwammen oder joggten oder in der Sonne lagen, um schön braun zu werden. Oder ich ging zum Verlagsgebäude von Joe Weider und arbeitete mit den Redakteuren an einem Artikel für die verschiedenen Zeitschriften.
Ich unterteilte mein tägliches Training immer in zwei Einheiten. Am Montag-, Mittwoch- und Freitagmorgen konzentrierte ich mich beispielsweise auf Brust und Rücken. Abends ging ich dann noch einmal ins Studio und kümmerte mich um die Beine, also um die Oberschenkel und Waden, übte noch ein paar Posen und machte andere Übungen. Dienstags, donnerstags und samstags waren dann die Schultern, Arme und Unterarme an der Reihe. Waden und Bauchmuskeln trainierte ich natürlich jeden Tag.
Zum Mittag- oder Abendessen ging wir oft in ein Büffet-Restaurant. In meiner Jugend in Europa hatte ich noch nie etwas von einem Büffet gehört. Dass man in einem Restaurant so viel essen konnte, wie man wollte, wäre uns einfach unbegreiflich gewesen. Wir Bodybuilder nahmen uns für den Anfang fünf, sechs oder sieben Eier. Dann gingen wir zur nächsten Station und aßen Tomaten und das ganze Gemüse. Danach ging es weiter mit Steak, dann kam der Fisch. In den Muskelmagazinen jener Zeit wurde immer erklärt, dass man ausreichend Aminosäuren brauche und dass hochwertige Proteine nicht in allen Lebensmitteln ausreichend vorhanden seien. Aber wir sagten uns: »Warum lange darüber nachdenken? Wir essen einfach alle Proteinquellen – Eier, Fisch, Rindfleisch, Pute, Käse!« Man hätte meinen können, die Büffet-Restaurants hätten uns zumindest eine höhere Rechnung gestellt. Aber wir wurden dort behandelt wie alle anderen Gäste auch. Für uns war das so, als ob Gott eigens ein Restaurant für Bodybuilder erschaffen hätte.
Während meiner ersten Monate in Los Angeles lief alles unglaublich gut. Mein Autounfall hatte, abgesehen von einer klaffenden Wunde am Oberschenkel, überraschend wenig Konsequenzen. Der Krokodilringer, dem der GTO gehörte, zuckte angesichts des Schadens nicht einmal mit der Wimper. Er arbeitete bei einem Autohändler und hatte bei den Gebrauchtwagen freie Auswahl, daher sagte er nur: »Mach dir keine Gedanken.« Tatsächlich stellte er mich sogar ein. Der Autohändler hatte sich auf den Export von Gebrauchtwagen spezialisiert, und ich verdiente mir ein bisschen Taschengeld damit, dass ich Autos nach Long Beach und auf einen Frachter fuhr, der sie nach Australien transportierte.
Einige Versicherungen riefen wegen der Schäden an den anderen Autos im Fitnessstudio an, aber ich verstand so wenig, dass ich den Hörer an einen meiner Trainingspartner weiterreichte. Er erklärte dann, dass ich erst seit kurzem in Amerika sei und kein Geld hätte, woraufhin die Versicherungen aufgaben. Im Grunde hatte der Unfall nur zur Folge, dass ich mich eilig um eine Krankenversicherung kümmerte. In Europa war jeder ganz selbstverständlich versichert, für Studenten und Auszubildende gab es Sondertarife, Kinder waren über ihre Eltern versichert; wenn man Arbeit hatte, bezahlte der Arbeitgeber einen Teil der Versicherung, und selbst Obdachlose waren versichert. Es machte mir Angst, dass ich hier nicht versichert war. Ständig dachte ich: »Was ist, wenn ich krank werde?« Ich wusste nicht, dass man in die Notaufnahme gehen konnte und kostenlos behandelt wurde. Aber selbst wenn ich es gewusst hätte, ich wollte keine Almosen. Ich brauchte zwar sechs Monate dafür, aber natürlich zahlte ich Bill Drake die Kosten für meine Arztbehandlung zurück.
Zufällig war Larry
Weitere Kostenlose Bücher