Total Recall
steht. Siehst du? Und die Maße der Waden, der Oberarme und Halsmuskeln müssen harmonieren. Das geht auf die alten Griechen zurück. Griechische Statuen haben wunderbare Proportionen – nicht nur dicke Bizeps, sondern auch breite Schultern und starke Waden.‹«
Bob sagte, ich müsse das alles nicht wie ein Bodybuilder erklären, sondern mit Gefühl, mehr wie ein Künstler oder Historiker. » Und das alles vor der Kamera. Ich habe dich schon so reden gehört, aber kannst du das auch abrufen, wenn ich sage: ›Und Action‹? Kannst du in der Rolle bleiben und am nächsten Tag wieder dasselbe zeigen, wenn das Drehbuch von dir eine heftige Trainingseinheit verlangt, in der du und die anderen mit schweren Gewichten trainieren? Denn das macht die Rolle so besonders.«
Er war mit seiner Wunschliste noch lange nicht fertig.
»Wenn du Joe Santo spielst, hast du auch mit den Leuten in den Country Clubs der Südstaaten zu tun, wo es diese großen Feste gibt und die Leute andauernd betrunken sind. Alles, was du hast, hast du dir mit harter Arbeit verdient. Und jetzt gibt es da diesen Craig Blake, der viel Geld geerbt hat, in einem schönen Anzug herumspaziert und sich mit dir anfreunden will. Wie empfindest du da als Joe? Ich glaube, du kannst das alles lernen. Aber du solltest auf jeden Fall vor dem Dreh Schauspielunterricht nehmen.«
Bob hatte wohl erwartet, dass ich ablehnen würde, denn er war überrascht, als ich sofort einwilligte. Ich war Feuer und Flamme. Endlich erklärte mir jemand, worum es beim Schauspielen eigentlich ging, und machte auch noch eine Herausforderung für mich daraus. Ich wurde nicht engagiert, weil ich den Titel des Mister Olympia gewonnen hatte und mich mit Bobs Schauspielerfreunden verstand. Ich musste mir die Rolle verdienen, und das gefiel mir.
Bob hatte noch eine weitere Bedingung, die weit schwerer zu erfüllen war. Er wollte, dass ich abnahm und anstelle von 110 Kilo nur noch 95 Kilo wog. »Durch die Kamera wirkt ein Körper viel größer, und ich möchte nicht, dass du die anderen Schauspieler mit deiner Größe erdrückst. Du kannst auch mit 95 Kilo vermitteln, dass du Mister Universum bist«, sagte er.
Ich wusste, wenn ich 95 Kilo wog, musste ich meinen Traum, der muskulöseste Mann der Welt zu sein, ein für alle Mal begraben. Ich konnte nicht beides auf einmal. Damit musste ich eine Entscheidung treffen, zu der ich ohnehin bereits tendiert hatte: mich vom Wettkampfsport zurückzuziehen. Ich machte nun schon seit zwölf Jahren Bodybuilding, das Schauspielen war dagegen etwas ganz Neues. Mir gefiel die Idee, hungrig zu bleiben im Leben, es sich nie zu bequem zu machen. Mit zehn wollte ich irgendetwas gut können und dafür weltweit Anerkennung finden. Jetzt wollte ich wieder gut sein und Anerkennung in einer Branche finden, die viel größer war als Bodybuilding.
Der Schauspiellehrer, zu dem Rafelson mich schickte, hieß Eric Morris und hatte auch schon mit Jack Nicholson gearbeitet. Er hatte ein Studio in Los Angeles, dessen Adresse und Telefonnummer ich heute noch auswendig kann, weil ich ihn schon so oft weiterempfohlen habe. Wenn man ins Studio kam, sah man gleich neben dem Eingang ein Schild: »Don’t act.« – »Schauspieler nicht!« Ich fragte mich, was das zu bedeuten hatte. Andererseits bezahlte mir die Produktionsfirma drei Monate lang Privatstunden und Gruppenunterricht, also war ich bereit, mich darauf einzulassen.
Morris war ein hagerer Typ Ende dreißig mit struppigen blonden Haaren und einem durchdringenden Blick. Sein Motto lautete vollständig: »Schauspieler nicht, sei echt!« Er erzählte mit großer Begeisterung von den Entdeckungen, die er gemacht hatte, und davon, was seiner Meinung nach anderen Schauspieltheorien fehlte. Ich kannte überhaupt keine Schauspieltheorien. Aber ich stellte schnell fest, dass er mir die Tür zu einer ganz neuen, überwältigenden Welt öffnete.
Zum ersten Mal hörte ich, wie jemand darüber sprach, wie man Gefühle zum Ausdruck brachte, wie man zeigte, dass man eingeschüchtert war, dass man sich unterlegen oder überlegen fühlte, sich wohl oder unwohl fühlte, dass man peinlich berührt war oder Mut schöpfte. Ich lernte eine ganz neue Sprache.
Das war ähnlich, wie wenn jemand Installateur wird und all die Bezeichnungen für Teile und Werkzeuge lernt, die man braucht, von denen man aber zuvor noch nie gehört hat. Man denkt sich: »Ich weiß nicht einmal, wie man die Wörter schreibt, über die wir hier reden.« Ich
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