Total Recall
der Besetzung der Mary Tate, für die er Sally Field ausgewählt hatte. »Siehst du?«, sagte er. »Zum Vorsprechen sind unzählige Mädchen gekommen, und die beste ist die fliegende Nonne!«
»Wer ist die fliegende Nonne?«, fragte ich.
Er erklärte mir, dass er Sally Field meinte, die in Amerika jeder aus der Fernsehserie The Flying Nun kannte. Danach kam er auf das zu sprechen, worauf er eigentlich hinauswollte: »Alle meinen, sie wüssten, was ein Mädchen tun muss, um eine Rolle zu bekommen. Sie glauben, ein Mädchen muss dafür mit dem Regisseur schlafen. Zu mir kamen Mädchen mit großen Titten, tollen Haaren und einer fantastischen Figur und haben sich mir angeboten. Aber am Ende bekam die fliegende Nonne die Rolle. Sie hat keine großen Titten und keine sexy Kurven, sie hat nicht angeboten, mit mir zu schlafen, aber sie hat das, was ich für die Rolle am meisten brauchte, nämlich Talent. Sie ist eine richtig gute Schauspielerin. Als sie hereinkam und vorsprach, hat es mich umgehauen.«
Bob dachte auch, dass es gut wäre, wenn ich sehen würde, wie ein Film gedreht wird. Er rief bei ein paar Regisseuren an, damit ich eine Stunde am Set vorbeischauen und zusehen konnte. Es war gut, einmal mitzuerleben, wie still es wird, wenn es heißt: »Kamera läuft.« Ich lernte, dass »Action!« nicht zwangsläufig bedeutet, dass alle sofort loslegen. Manchmal sind die Schauspieler noch mit sich beschäftigt oder fragen: »Wie fängt mein Text an?«
Bob zeigte mir so, dass eine Szene dreizehnmal gedreht werden konnte und das niemanden störte, wichtig war nur, immer daran zu denken, dass nur eine Version gezeigt werden würde. »Es ist nicht schlimm, wenn ich zum dreizehnten Mal sage: ›Noch einmal, bitte.‹ Das erfährt niemand. Und mach dir keine Sorgen, wenn du mitten in einer Szene husten musst. Das schneiden wir raus. Ich nehme die Szene aus verschiedenen Perspektiven auf.«
Je häufiger ich am Set war, desto wohler fühlte ich mich.
Nachdem Bob Sally Field engagiert hatte, war er erst recht nicht mehr davon abzubringen, dass ich Gewicht verlieren müsse. Sally war so zierlich, dass er befürchtete, sie würde neben mir wie ein Zwerg wirken, wenn ich nicht abnahm. »Wenn wir in Birmingham sind, stelle ich dich auf die Waage, und wenn du am Tag vor Drehbeginn mehr als 95 Kilo wiegst, bist du raus«, drohte er. Leider gab es keinen Privatunterricht à la Eric Morris, wo ich lernen konnte, wie ein Spitzen-Bodybuilder seine Muskeln loswird. Ich war auf mich allein gestellt. Zunächst musste ich mich mental darauf einstellen, ich musste das Bild des 113 Kilo schweren Mister Olympia aufgeben, das ich von mir im Kopf hatte. Stattdessen stellte ich mir vor, ich wäre schlank und nur athletisch gebaut. Und plötzlich passte mein Spiegelbild nicht mehr zu mir. Damit war mir der Appetit auf Proteindrinks und die vielen Steaks vergangen, die ich sonst zu mir nahm. Ich stellte mir vor, ich wäre kein Kraftsportler, sondern Läufer, und änderte mein gesamtes Training, arbeitete weniger mit Gewichten und verlegte mich mehr aufs Laufen, Radfahren und Schwimmen.
Den ganzen Winter über verlor ich an Gewicht und freute mich darüber. Doch gleichzeitig merkte ich, dass mein Leben zunehmend anstrengend wurde. Ich erledigte die Bestellungen für meinen Versandhandel und ging zum Schauspielunterricht, studierte am College, trainierte drei Stunden am Tag und arbeitete in unserem Baugeschäft. Es war nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Oft fühlte ich mich überlastet und fragte mich: »Wie soll ich das alles schaffen? Wie mache ich das, ohne schon an die nächste Aufgabe zu denken, während ich noch mit einer anderen beschäftigt bin? Wie kann ich den Kopf frei bekommen?«
Bei den Leuten am Venice Beach war damals Transzendentale Meditation sehr beliebt. Ich unterhielt mich häufig mit einem sympathischen Typen, einem dünnen Kerl, der Yoga machte – im Grunde das genaue Gegenteil von mir. Irgendwann erfuhr ich, dass er Lehrer für Transzendentale Meditation war. Er lud mich zu einem Kurs in der Nähe der Universität ein. Auch ein bisschen Hokuspokus war dabei: Jeder musste Obst und ein Taschentuch mitbringen und bestimmte Rituale vollziehen. Aber das störte mich nicht. Mit anderen über das Bedürfnis zu sprechen, abzuschalten und etwas für den Geist zu tun, war für mich wie eine Offenbarung. »Arnold, du bist ein Idiot«, sagte ich mir. »Du trainierst die ganze Zeit deinen Körper und denkst nie an
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