Total verhext
NICHT ETWA MICH DARUM, DIR EINEN WUNSCH ZU GEWÄHREN, ODER?
»Oh, niemand kann die Wünsche einer guten Fee erfüllen.« Desiderata schien erneut ihre innere Welt zu erforschen und sprach wie zu sich selbst. »Ich muß sie irgendwie nach Gennua bringen, und zwar alle drei. Weil ich sie in der Stadt gesehen habe. Ja, alle drei. Und das ist bei solchen Personen ganz und gar nicht einfach. Muß dabei auf das Mittel der Pschikologie zurückgreifen, damit sie selbst entscheiden zu reisen. Hm. Wenn man Esme Wetterwachs auffordert, sich an irgendeinen Ort zu begeben, so lehnt sie aus reiner Widerspenstigkeit ab. Aber wenn man ihr sagt, sie dürfe auf keinen Fall aufbrechen … Zwei Sekunden später ist sie unterwegs und läßt sich durch nichts zurückhalten. So sind die Wetterwachse eben. Wollen immer mit dem Kopf durch die Wand. Geben sich nie geschlagen.«
Ein dünnes Lächeln umspielte Desideratas Lippen.
»Nun, in dieser Hinsicht steht Esme eine Überraschung bevor.«
Tod schwieg. Aus seinem Blickwinkel gesehen, mußten alle eine Niederlage hinnehmen, früher oder später.
Desiderata trank ihren Tee. Anschließend stand sie auf, rückte möglichst würdevoll den Hut zurecht und humpelte durch die Hintertür nach draußen.
Etwas abseits vom Haus, neben den Bäumen, hatte jemand eine tiefe Grube ausgehoben und umsichtigerweise eine Leiter hineingestellt. Frau Hohlig kletterte hinab, schob die Leiter nach oben ins Gras, legte sich hin … und setzte sich wieder auf.
»Herr Kieselschiefer – ich meine den Troll bei der Sägemühle – zimmert gute Särge. Vorausgesetzt natürlich, man hat nichts gegen Kiefernholz.«
VIELEN DANK FÜR DEN HINWEIS.
»Das Loch hat Hurker der Wilderer für mich gegraben«, sagte Desiderata im Plauderton. »Auf dem Heimweg will er’s zuschaufeln. Alles soll seine Ordnung haben. Und nun … Es kann losgehen, Maestro.«
WIE BITTE? OH. ICH VERSTEHE.
Tod hob die Sense.
Desiderata starb.
»Das war einfach«, sagte sie. »Und was geschieht nun?«
Dies ist Gennua. Das magische Königreich. Die diamantene Stadt. Das glückliche Land.
Im Zentrum der Stadt trat eine Frau zwischen zwei Spiegel und beobachtete ihre bis in die Unendlichkeit reichenden Abbilder.
Die Spiegel befanden sich in der Mitte eines Oktogons aus Spiegeln, das sich auf dem höchsten Turm des Palastes dem Himmel öffnete. Dort gab es so viele Reflexionen, daß man nur mit Mühe feststellen konnte, wo das Gespiegelte aufhörte und die Wirklichkeit begann.
Die Frau hieß Lady Lilith de Tempscire – es war einer von vielen Namen, die sie sich in einem langen und ereignisreichen Leben zugelegt hatte. Das lernte man schnell. Wenn man es in dieser Zeit zu etwas bringen wollte – und Lilith hatte gleich zu Anfang entschieden, es so weit wie nur möglich zu bringen –, so durfte man sich nicht an einen bestimmten Namen gewöhnen und mußte überall dort nach Macht greifen, wo sie sich darbot. Sie hatte drei Ehemänner begraben, und mindestens zwei von ihnen waren bereits tot gewesen.
Darüber hinaus kam man viel herum. Die meisten Leute blieben an Ort und Stelle. Man wechsle Länder und Namen, achte außerdem auf gute Manieren … Dann verwandelt sich die Welt in Knetmasse, der man eine beliebige Form geben kann.
Lilith hatte nur hundertfünfzig Kilometer zurücklegen müssen, um zu einer Lady zu werden.
Für sie war kein Weg zu lang.
Die beiden Hauptspiegel standen sich fast direkt gegenüber, damit Lilith über die Schulter blicken und beobachten konnte, wie sich ihre Abbilder in die Unendlichkeit erstreckten.
Die Lady spürte, wie sie aus sich selbst strömte, sich mit Hilfe der endlosen Reflexionen multiplizierte.
Als sie seufzte und zwischen den Spiegeln hervortrat, manifestierte sich ein erstaunliches Phänomen. Hinter ihr schwebten geisterhafte Liliths, dreidimensionalen Schatten gleich, und lösten sich erst nach einigen Sekunden auf.
Nun … Desiderata starb. Dummes Weibsstück. Mußte sich dauernd einmischen. Sie verdiente den Tod. Hatte nie verstanden, über welche Art von Macht sie gebot. Gehörte zu jenen mitleiderweckenden Leuten, die davor zurückschrecken, Gutes zu bewirken. Desiderata Hohlig nahm alles so ernst, daß sie moralische Qualen litt, bevor sie auch nur den Wunsch einer einzelnen Ameise erfüllte.
Lilith sah nach unten zur Stadt. Jetzt gab es keine Barrieren mehr. Diedämliche Voodoo-Frau im Sumpf war nur ein Ärgernis, ohne echtes Wissen.
Nichts konnte Lady Lilith daran hindern, das
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