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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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mehr, doch die Stille dauerte an.
    »Und sie veranstaltet …« Oma Wetterwachs wandte sich an Nanny Ogg. »Was veranstaltet sie, Gytha?«
    »Selbstverteidigungskurse.«
    »Aber sie ist eine Hexe«, stellte Mütterchen Brevis fest.
    »Das habe ich ihr gesagt«, bestätigte Oma Wetterwachs. Über viele Jahre war sie des Nachts in Wäldern unterwegs gewesen, die zahllosen Räubern als Versteck dienten. Solche Wanderungen fanden in der sicherenÜberzeugung statt, daß die Dunkelheit nichts Schrecklicheres enthielt als sie selbst. »Und Magrat antwortete: ›Das spielt keine Rolle.‹ Ja, sie ist der Ansicht, daß es keine Rolle spielt.«
    »Niemand besucht die Kurse«, sagte Nanny Ogg.
    »Ich dachte, sie würde den König heiraten«, bemerkte Mütterchen Brevis.
    »Das dachten alle«, entgegnete Nanny. »Aber du kennst Magrat ja. Derzeit will sie kein Sexobjekt sein.«
    Die Hexen dachten darüber nach. Schließlich räusperte sich Mütterchen Brevis. Als sie sprach, deutete ihr Tonfall an, daß sie aus den Tiefenfaszinierender Überlegungen auftauchte. »Aber sie ist doch nie ein Sexobjekt gewesen.«
    »Ich bin stolz darauf, überhaupt nicht zu wissen, was es mit einem Sexobjekt auf sich hat«, sagte Oma Wetterwachs fest.
    »Ich weiß Bescheid«, meinte Nanny Ogg.
    Drei Blicke klebten an ihr fest.
    »Unser Shane hat einmal einen solchen Gegenstand von seinen Reisen mitgebracht.«
    Die drei Hexen sahen Nanny weiter an.
    »Es war braun und dick, hatte Glasperlen und ein Gesicht. Und zwei Löcher für die Schnur.«
    Dieser Hinweis löste die Blicke nicht von ihr.
    »Unser Shane hat es als eine Art Sexobjekt bezeichnet«, verteidigte sich Nanny.
    »Ich glaube, du sprichst da von einem Fruchtbarkeitssymbol«, spekulierte Mütterchen Brevis.
    Oma Wetterwachs schüttelte den Kopf.
    »Magrat ist nicht braun und dick …«, begann sie.
    »Das soll wohl ein Witz sein, wie?« sagte Mütterchen Dismass, deren Aufmerksamkeit irgendwo in der Zukunft weilte. Ihr geistiger Aufenthaltsort ließ sich nie genau feststellen.
    Diesem Risiko waren alle hellseherisch begabten Personen ausgesetzt. Das menschliche Bewußtsein ist nicht dafür geschaffen, auf der langen und breiten Autobahn der Zeit hin und her zu rasen. Es löst sich dabei aus seiner Verankerung, unternimmt allein vom Zufall bestimmte Ausflüge in Vergangenheit und Zukunft und kehrt nur ab und zu in die Gegenwart zurück. Mütterchen Dismass hatte ihren mentalen Fokus verloren. Wenn man im August zu ihr sprach, so hörte sie die Worte erst im März. Nun, die übrigen Hexen lehnten derartige Geduldsproben ab und hofften, daß es Mütterchen Dismass gelang, einzelne Gesprächsfragmente zu sammeln, wenn das Pendel ihres Ichs in die Gegenwart schwang.
    Oma Wetterwachs hob versuchsweise die Hand vor die Augen der Reglosen und winkte.
    »Sie ist schon wieder weg.«
    »Wenn Magrat sich weigert, Desideratas Bezirk zu übernehmen, können wir uns an Millie Hüpfgut aus Schnitte wenden«, schlug Mütterchen Brevis vor. »Gibt sich viel Mühe, das Mädchen. Schielt sogar noch mehr als Magrat.«
    »Schielende Hexen sind besonders eindrucksvoll«, behauptete Oma.
    »Allerdings muß man richtig schielen«, sagte Lady Nanny Ogg. »Die alte Gertie Simmons schielte besser als sonst jemand, aber ihr böser Blick traf immer die eigene Nase. Eine Hexe wird niemals die eigene Nase verfluchen, wenn man sie ärgert.«
    Einmal mehr starrten sie ins Feuer.
    »Desiderata hat keine Nachfolgerin bestimmt, oder?« fragte Mütterchen Brevis.
    »Natürlich nicht«, erwiderte Oma Wetterwachs. »So etwas widerspricht den hiesigen Traditionen.«
    »Mag sein. Aber Desiderata hat hier nicht viel Zeit verbracht. Aufgrund ihrer speziellen Pflichten reiste sie häufig durch fremde Länder.« Mütterchen Brevis zögerte kurz, bevor sie hinzufügte: »Sie war viel im Ausland unterwegs.«
    »Ich verabscheue das Aus- und Fremdländische«, konstatierte Oma Wetterwachs.
    »Du bist einmal in Ankh-Morpork gewesen«, meinte Nanny sanft. »Das erscheint mir fremdländisch genug.«
    »Da irrst du dich. Ankh-Morpork ist nicht etwa fremdländisch, sondern nur weit entfernt. Echtes Ausland bedeutet, daß die Eingeborenen irgendein heidnisches Kauderwelsch reden, seltsame Dinge essen und Objekte verehren«, erklärte die Diplomatin namens Oma Wetterwachs. »Das Ausland kann recht nahe sein, wenn man nicht aufpaßt.« Streng fügte sie hinzu: »Ja, aus dem Ausland könnte man alles mitbringen, sogar eine selbst ausgewählte

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