Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
Vom Netzwerk:
mein ganzes Leben, und er muss wenigstens fünfzig gewesen sein, als ich ihn das erste Mal sah. Sein Aussehen täuscht.«
    Das Haus des alten Garfield erinnerte an die Vergangenheit. Die Bretter, aus denen der flache Bau bestand, hatten nie Farbe gesehen. Der Zaun des Obstgartens, ebenso wie der der Corrals, war aus Latten zusammengenagelt.
    Old Jim lag auf seinem primitiven Bett, der Mann, den Doc Blaine trotz der Proteste des alten Mannes engagiert hatte, versorgte ihn auf einfache, aber wirksame Weise. Als ich den alten Jim ansah, war ich aufs Neue von seiner offenkundigen Vitalität beeindruckt. Er war gebeugt, aber nicht verkümmert, und die Muskeln an seinen Gliedmaßen traten in kräftigen Strängen hervor. Sein sehniger Hals und sein Gesicht ließen angeborene Virilität erkennen, auch wenn man ihm jetzt ansah, dass er Schmerzen hatte. Und aus seinen Augen flammte dieselbe unbändige Kraft, auch wenn der Schmerz sie zum Teil hatte glasig werden lassen.
    »Er hat fantasiert«, erklärte Joe Braxton unerschütterlich.
    »Der erste weiße Mann in diesem Land«, murmelte der alte Jim und wurde dann unverständlich. »Berge, auf die zuvor kein weißer Mann je seinen Fuß gesetzt hat. Fange an alt zu werden, muss sesshaft werden. Kann nicht mehr weiterziehen wie früher. Hier niederlassen. Gutes Land, ehe die Rinderzüchter und Squatter sich hier breitgemacht haben. Ich wünschte, Ewen Cameron könnte dieses Land jetzt sehen. Die Mexikaner haben ihn abgeknallt. Teufel soll sie holen!«
    Doc Blaine schüttelte den Kopf. »Sämtliche Knochen in ihm sind zerschmettert. Er wird den nächsten Morgen nicht erleben.«
    Plötzlich hob Garfield unerwartet den Kopf und sah uns mit klarem Blick an.
    »Falsch, Doc«, keuchte er, und die Schmerzen ließen seinen Atem pfeifen. »Ich werde leben. Was sind schon zerbrochene Knochen und verschlungene Därme? Gar nichts! Das Herz ist es, worauf es ankommt. Solange das Herz noch pumpt, kann ein Mann nicht sterben. Mein Herz ist gesund. Hören Sie sich’s doch an! Spüren Sie’s!«
    Er tastete gequält nach Doc Blaines Handgelenk, zerrte dessen Hand an seine Brust und hielt sie dort fest und starrte den Arzt mit eindringlicher Gier an.
    »Regelmäßig wie ein Dynamo, nicht?«, keuchte er. »Stärker als ein Benzinmotor!«
    Blaine winkte mich heran. »Legen Sie Ihre Hand hierhin«, sagte er und drückte meine Hand auf die nackte Brust des alten Mannes. »Sein Herzschlag ist wirklich erstaunlich.«
    Im Licht der Petroleumlampe sah ich eine große, gerötete Narbe an Garfields hagerer schmerzender Brust – eine Narbe, wie sie von einem Speer mit einer Feuersteinspitze stammen konnte. Ich legte die Hand direkt auf die Narbe und stieß einen verblüfften Ruf aus.
    Unter meiner Hand pochte Jim Garfields Herz, aber dieses Pochen klang so, wie ich es noch bei keinem anderen Herzen verspürt hatte. Seine Kraft war erstaunlich, die Rippen des Alten vibrierten unter dem ständigen Pochen. Es fühlte sich eher wie das Vibrieren eines Motors als wie der Schlag eines menschlichen Organs an. Ich konnte die verblüffende Vitalität spüren, die von seiner Brust ausstrahlte, sich in meine Hand und meinen Arm hinaufstahl, bis mein eigenes Herz in Reaktion darauf schneller zu schlagen schien.
    »Ich kann nicht sterben«, keuchte der alte Jim. »Nicht solange mein Herz in meiner Brust ist. Nur eine Kugel durch das Gehirn kann mich töten. Und selbst dann wäre ich noch nicht richtig tot, solange mein Herz in meiner Brust schlägt. Aber in Wirklichkeit ist es gar nicht meines. Es gehört Ghost Man, dem Lipanerhäuptling. Die Lipaner haben das Herz eines Gottes angebetet, ehe die Comanchen sie aus ihren heimatlichen Bergen vertrieben haben.
    Ich habe Ghost Man unten am Rio Grande kennengelernt, als ich mit Ewen Cameron zusammen war. Einmal habe ich ihn vor den Mexikanern gerettet. Er hat die Schnur des Geisterwampum zwischen ihm und mir gebunden – das Wampum, das kein Mensch außer ihm und mir sehen oder fühlen kann. Er ist gekommen, als er wusste, dass ich ihn brauchte, in jenem Kampf im Quellgebiet von Locust Creek, als ich diese Narbe da bekam.
    Ich war so tot wie ein Mensch tot sein kann. Mein Herz war entzwei geschnitten wie das Herz eines geschlachteten Stiers.
    Die ganze Nacht durch hat Ghost Man seinen Zauber an mir vollbracht, hat meinen Geist aus dem Geisterland zurückgerufen. Ich erinnere mich noch ein wenig an jenen Flug. Es war dunkel und grau, und ich schwebte durch graue Nebel und

Weitere Kostenlose Bücher