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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
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das tat. Wozu auch fragen? Jemand bezahlte und die bunten Träume dauerten an, wen kümmerte es also? Aber jetzt stelle ich mir trotzdem Fragen, denn das Mädchen, das mich vor Hassim beschützt und mir das Haschisch beschert hatte, war dasselbe Mädchen, das ich in meinem Traum mit dem Schädelgesicht gesehen hatte.
    Durch den Sumpf meiner Erniedrigung drang ihr Lockruf wie ein Messer, das mein Herz durchbohrte. Er brachte auf merkwürdige Art und Weise die Erinnerung an jene Tage zurück, als ich ein Mann wie andere Männer gewesen war – und noch kein hündisch kriechender Sklave meiner Träume. Fern und blass waren sie, schimmernde Inseln im Nebel der Jahre – aber was für eine dunkle See lag doch dazwischen!
    Ich blickte auf meinen ausgefransten Ärmel und die schmutzige, wie eine Klaue wirkende Hand, die aus ihm hervorragte. Ich spähte durch den dichten Rauch, der den schäbigen Raum vernebelte, sah auf die niedrigen Pritschen entlang der Wand, auf denen die glasig ins Leere starrenden Träumer lagen – Sklaven wie ich, Sklaven des Haschisch oder des Opiums. Ich starrte auf die lautlos in ihren Pantoffeln hin und her huschenden Chinesen, die Pfeifen oder glühende Kugeln mit konzentriertem Fegefeuer über winzig flackernden Flammen entzündeten. Und ich starrte Hassim an, der mit verschränkten Armen wie eine große Statue aus schwarzem Basalt neben der Tür stand.
    Ich zitterte und verbarg mein Gesicht in den Händen, weil ich im schwachen Dämmerlicht, das mich dem Menschsein wieder näher brachte, erkannte, dass dieser letzte und grausamste aller Träume nutzlos war – ich hatte ein Meer überquert, das mich nie wieder nach Hause bringen konnte, mich von der Welt gewöhnlicher Männer und Frauen entfernte. Nichts blieb mir, als diesen Traum zu ertränken, so wie ich all meine anderen Träume ertränkt hatte – schnell und in der Hoffnung, bald jene endlosen Weiten zu erreichen, die jenseits aller Träume liegen.
    So sind sie, diese flüchtigen Momente der Klarheit und der Sehnsucht, welche den Sklaven der Droge den Schleier entreißen – unerklärlich und zugleich hoffnungslos unerreichbar.
    Also kehrte ich in meine leeren Träume zurück, in mein Trugbild der Illusionen. Aber manchmal, so wie ein Schwert, das einen Nebel zerteilt, schwebte das Leuchten dunkler Augen und schimmernden Haars wie halb vergessene Musik durch die Hügel, Täler und Seen meiner Visionen.
    Sie fragen sich sicher, wie ich, Stephen Costigan, Amerikaner und kulturell gebildeter Mann mit gewissen Errungenschaften, in einer schmierigen Kneipe im Limehouse-Viertel von London gestrandet war? Die Antwort ist einfach: Ich bin kein abgestumpfter Lüstling, der in den Geheimnissen des Orients nach neuer Erfüllung sucht, nein. Meine Antwort lautet – Argonne! Himmel, diese eine Schlacht deckt wirklich sämtliche Dimensionen des Schreckens ab! Kriegsneurosen. Schier endlos erscheinende Tage und Nächte. Die brüllende rote Hölle des Niemandslands, in der ich mich mit von Kanonen und Bajonetten zerfetztem, blutigem Fleisch wiederfand. Mein Körper hat sich davon erholt. Ich weiß nicht einmal genau, wie. Mein Geist hingegen niemals.
    Die Flammenhöllen und wabernden Schatten in meinem gequälten Geist trieben mich die Stufen der Erniedrigung immer weiter hinunter, frei von jeglichem Gefühl, bis ich in Yun Shatus Tempel der Träume Linderung fand. Hier tauschte ich meine roten Träume gegen andere ein – Haschischvisionen, mit denen ein Mann in die Abgründe blutroter Höllen hinabstürzen oder in jene namenlosen Höhen aufsteigen kann, wo die Sterne unter seinen Füßen wie Stecknadeln aus Diamant aufblitzen.
    Ich durchlebte nicht die Visionen von Trinkern und Bestien. Stattdessen erreichte ich das Unerreichbare und fand im Angesicht des Unbekannten in kosmischer Ruhe Antwort auf die großen Fragen. Auf gewisse Weise war ich damit zufrieden, bis der Anblick von glattem Haar und scharlachroten Lippen mein im Traum aufgebautes Universum wegfegte und mich schaudernd in seinen Ruinen zurückließ.
    Kapitel 3: Meister des Verderbens
    Und Er, der Dich ins Feld hineinschleudert
    Er weiß wirklich alles – Er weiß! Er weiß!
    Omar Khayyam
    Eine Hand schüttelte mich unsanft, als ich träge aus meiner jüngsten Ausschweifung erwachte.
    »Der Meister verlangt nach dir! Steh auf, du Schwein!«
    Hassim war es, der mich schüttelte und so zu mir sprach.
    »Zur Hölle mit dem Meister!«, antwortete ich, denn ich hasste Hassim – und fürchtete

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