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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
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von Yun Shatu bezahlt, so glaubten wir, wie Yar Khan, der Afghane, und Santiago, der Haitianer, und Ganra Singh, der abtrünnige Sikh. Allesamt abhängig vom Herrn des Opiums dank Gold oder Furcht.
    Denn Yun Shatu galt als Macht in der Chinatown Londons; ich hatte gehört, dass sich sein Einfluss über die Meere bis hin zu den mächtigen und geheimnisvollen Tongs erstreckte. War das Yun Shatu hinter der Trennwand gewesen? Nein – ich kannte die Stimme des Chinesen. Außerdem hatte ich ihn vor dem Tempel herumwerkeln gesehen, als ich durch die Hintertür eintrat.
    Ein anderer Gedanke schoss mir durch den Kopf. Wenn ich in den späten Nachtstunden oder im frühen Grau der Morgendämmerung halb benommen dagelegen hatte, waren mir häufig Männer und Frauen aufgefallen, die sich in den Tempel davonstahlen. Männer, deren Kleidung und Verhalten seltsam fehl am Platz und unpassend wirkten. Hochgewachsene, aufrechte Männer, häufig in vornehmer Kleidung, mit tief in die Stirn gezogenen Hüten. Gepflegte Damen mit Schleier und teuren Gewändern aus Seide und Pelz. Nie erschienen zwei von ihnen gleichzeitig, immer kamen sie einzeln und verbargen ihre Gesichter, huschten zum Hintereingang, wo sie den Tempel betraten und Stunden später manchmal wieder herauskamen.
    Da ich wusste, dass das Bedürfnis nach Rauschgift auch vor besseren Kreisen nicht haltmacht, hatte ich mir darüber nie großartig Gedanken gemacht, hatte angenommen, dass dies der Sucht zum Opfer gefallene wohlhabende Männer und Frauen der Gesellschaft waren. Und hatte vermutet, dass es irgendwo im hinteren Bereich des Gebäudes einen besonderen Raum für Leute wie sie gab. Aber jetzt kamen mir erste Zweifel – manchmal waren diese Personen nur ein paar Augenblicke geblieben –, war es wirklich immer das Opium gewesen, das sie herführte, oder gingen auch sie durch jenen geheimnisvollen Korridor und sprachen mit dem, der sich hinter der Trennwand verbarg?
    Ich stellte mir einen großen Spezialisten vor, zu dem Menschen aller Klassen kamen, um sich von ihrer Sucht befreien zu lassen. Aber es kam mir seltsam vor, dass sich so jemand ausgerechnet eine Rauschgiftspelunke aussuchte, um zu praktizieren – und noch seltsamer, dass der Besitzer jenes Hauses ihm offenbar solche Ehrfurcht entgegenbrachte.
    Ich hörte auf zu grübeln, als mein Kopf vor lauter Nachdenken zu schmerzen begann und mein Bauch knurrend nach Nahrung verlangte. Yussef Ali brachte mir Essen auf einem Tablett, so schnell, dass es mich verblüffte. Außerdem verbeugte er sich tief, als er mich verließ, und ich geriet erneut ins Grübeln. Diesmal fragte ich mich, was meinen Status im Tempel der Träume wohl so positiv verändert haben mochte.
    Ich fragte mich, was Er hinter der Wand von mir wollte. Nicht eine Sekunde glaubte ich daran, dass er mir seine wahre Absicht verraten hatte. Das Leben in der Unterwelt hatte mich gelehrt, dass niemand etwas zu verschenken hat. Und zur Unterwelt gehörte auch der geheimnisvolle Raum, so kunstvoll und bizarr er auch wirkte. Wo genau mochte er sich befinden? Wie weit war ich wirklich durch den Korridor gegangen? Ich zuckte die Achseln und fragte mich, ob es sich nicht doch um eine Haschischvision handelte. Doch dann fiel mein Blick auf meine Hand – und ich konnte klar die Umrisse des Skorpions erkennen.
    »Alle Mann an Deck!«, dröhnte die Stimme des Seemanns auf der Pritsche. »Alle Mann!«
    Mit Einzelheiten der nächsten paar Tage würde ich wohl jeden langweilen, der nicht selbst schon das qualvolle Sklaventum des Rauschgifts kennengelernt hat. Ich wartete, dass die Sucht mich wieder packen würde – wartete in bitterer Hoffnungslosigkeit. Den ganzen Tag, die ganze Nacht … noch einen Tag … und dann erkannte mein zweifelnder Verstand, dass ein Wunder geschehen war. Entgegen allen Theorien und Erkenntnissen der Wissenschaft und des gesunden Menschenverstandes hatte mich das Verlangen nach Stoff so plötzlich und vollkommen verlassen wie ein schlimmer Traum! Zuerst wollte ich meinen Empfindungen nicht trauen und fürchtete, mich immer noch im Griff eines Rauschgifttraums zu befinden.
    Und doch war es wahr. Seit dem Augenblick, als ich in dem geheimnisvollen Raum den Becher geleert hatte, spürte ich nicht mehr das geringste Verlangen nach dem Zeug, das für mich lange das Wichtigste im Leben gewesen war. Mir schoss durch den Kopf, dass das irgendwie gottlos war und allen Regeln der Natur widersprach. Wenn das Schreckenswesen hinter der Wand das

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