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Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)

Titel: Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert E. Howard
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langen Fingerknochen, die eigenartige Ausbildung der Füße, die tiefen Augenhöhlen, Kavernen gleich, den vorspringenden Stirnknochen und ganz allgemein das Aussehen des mächtigen, kuppelförmigen Schädels, der sich auf so schreckliche Weise von der Menschheit, wie er sie kannte, unterschied.
    Welcher seit Urzeiten tote Künstler hatte das Ding mit so unglaublichem Geschick geformt? Er beugte sich näher, registrierte Pfanne und Sockel der Gelenke, die leichten Vertiefungen auf glatten Flächen, wo einst Muskeln befestigt waren. Und dann durchzuckte ihn eine verblüffende Erkenntnis.
    Dies war nicht das Werk menschlicher Kunst – jenes Skelett war einst in Fleisch gehüllt gewesen, hatte sich bewegt, hatte gesprochen und gelebt. Und das war unmöglich, sagte ihm sein ins Taumeln geratener Verstand, waren die Knochen doch aus massivem Gold.
    Die Orchideen nickten in den Schatten der Bäume. Der Schrein lag in purpurschwarzem Schatten. Der Mann stand brütend über die Gebeine gebeugt und staunte. Was konnte er von der Zauberkunst einer älteren Welt ahnen, die groß genug war, um ewigem Hass zu dienen, indem sie jenem Hass konkrete Substanz verlieh, Substanz, die auf ewige Zeiten der zerstörenden Kraft der Zeitläufte widerstand?
    Der Mann legte die Hand auf den goldenen Schädel. Ein plötzlicher Todesschrei zerriss die Stille. Der Mann im Schrein taumelte zurück, schrie, tat einen einzigen unsicheren Schritt und fiel dann vornüber und lag mit zuckenden Gliedern auf dem von Lianen überwucherten Marmorboden.
    Die Orchideen rieselten in sinnlichem Regen auf ihn herab, und seine blinden, tastenden Hände zerrissen sie in bizarre Fetzen, während er starb. Stille senkte sich, und aus dem goldenen Schädel kroch träge eine Viper.

Das Schädelgesicht
    Kapitel 1: Das Gesicht im Nebel
    O Herz, da die Welt nichts als Schatten und Schein
    Warum quälst Du Dich ab in unendlicher Pein?
    Omar Khayyam
    Das erste Mal ergriff der Schrecken in der unkonkretesten aller Welten von mir konkreten Besitz: in einem Haschischtraum. Ich war zu einer Reise jenseits von Raum und Zeit durch die seltsamen Sphären aufgebrochen, die zu diesem Daseinszustand gehören: eine Million Meilen entfernt von der Erde und allem Irdischen. Und doch spürte ich, wie etwas über die unbekannte Leere hinweg nach mir griff. Etwas, das rücksichtslos an dem Vorhang zerrte, der meine Illusionen umschloss, und in meine Visionen eindrang.
    Ich kehrte nicht wirklich in meinen alltäglichen Wachzustand zurück. Und doch sah und bemerkte ich Dinge, die nicht zu dem Traum passen wollten, an dem ich mich in jenem Augenblick berauschte. Auf jemanden, der nie die Freuden des Haschisch erlebt hat, muss meine Erklärung chaotisch und unmöglich wirken. Dennoch nahm ich wahr, dass da Nebel zerrissen, und dann drängte sich dieses Gesicht in mein Blickfeld.
    Zuerst hielt ich es bloß für einen Totenschädel, aber dann sah ich, dass er grässlich gelb, nicht etwa weiß war und mit einem abscheulichen Leben erfüllt. Die Augen glühten tief in ihren Höhlen und die Kiefer bewegten sich, als würden sie sprechen. Den Körper selbst, mit Ausnahme der schmalen, hohen Schultern, konnte ich nur vage und undeutlich erkennen, aber die vor und unter dem Schädel in den Nebeln schwebenden Hände waren auf entsetzliche Weise lebendig und jagten mir Angstschauder über den Rücken. Wie die Hände einer Mumie wirkten sie, lang, schlank und gelb, mit knorrigen Gelenken und grausam gekrümmten Krallen.
    Und dann, wie um das undefinierbare Entsetzen komplett zu machen, das unaufhaltsam von mir Besitz ergriff, erklang eine Stimme – stellen Sie sich einen Mann vor, der schon so lange tot ist, dass seine Stimmbänder rostig geworden sind und das Sprechen verlernt zu haben scheinen. Das war der Gedanke, der sich mir aufdrängte und mir Furcht einjagte, während ich ihren Worten lauschte.
    »Ein kräftiger Kerl, der uns irgendwie nützlich sein könnte. Sorge dafür, dass er so viel Haschisch bekommt, wie er braucht.«
    Dann wich das Gesicht von mir zurück, gerade als ich begriff, dass er von mir sprach, und die Nebel wallten sich wieder zusammen. Und doch hatte ich einen Moment lang ein verblüffend klares Bild vor mir. Ich schnaufte – oder versuchte es zumindest. Denn über der hochgezogenen, merkwürdigen Schulter der Erscheinung war einen Moment lang ein Gesicht ganz deutlich zu erkennen. Sein Besitzer schien mich zu mustern. Rote, halb geöffnete Lippen, lange, dunkle Wimpern,

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