Tote im Salonwagen
zu?«
Fandorin dachte ein wenig nach. Dann nickte er.
Der Fürst strahlte.
»Fein! Ich schlage vor, wir gehen gleich zum Du über, Brüderschaft können wir heute abend immer noch trinken. Gleb!« Posharski streckte Fandorin die Hand hin.
»Erast«, sagte dieser und schlug ein.
»Meine Freunde nennen mich übrigens Glebtschik … Gut, Erast, dann bis heute abend. Ich muß gleich los, zu einem wichtigen Termin.«
Fandorin erhob sich, blieb aber noch stehen.
»Und was ist mit der Jagd auf Grin? Wollen wir denn g-gar nichts unternehmen? Sagtest … du …«, dem Staatsrat kam die Anrede mit Mühe über die Lippen, »sagtest du nicht gestern etwas von neuen Fallstricken, die wir zu knüpfen hätten?«
»Darum mußt du dich nicht sorgen«, erwiderte Posharski mit dem Lächeln der weisen Wassilissa, die dem Königssohn ein Wiegenlied singt. »Der Termin, zu dem ich jetzt aufbreche, dürfte den Fall KG in kürzester Zeit zum Abschluß bringen.«
Erledigt von diesem letzten Schlag, wußte Fandorin nichts mehr zu sagen, nickte nur verzagt und ging.
Niedergeschlagen schlich er die Treppe hinab, durchquerte schleppend das Foyer, warf sich den Mantel um die Schultern und trat, melancholisch den Zylinder schwenkend, hinaus auf den Boulevard.
Kaum aber hatte sich Fandorin ein Stück von dem gelben Gebäude mit dem weißen Säulenportal entfernt, als plötzlich Bewegung in ihn kam. Er sprang auf die Fahrbahn, winkte aufgeregt der erstbesten Droschke.
»Wo darf es hingehen, Euer Exzellenz?« rief der graubärtige Fuhrmann betont schneidig, da er unter dem offenen Pelzmantel das Ordenskreuz blitzen sah. »Wir bringen Sie wohlbehalten überallhin!«
Der vornehme Herr stieg aber nicht gleich ein; er inspizierte seltsamerweise erst einmal das Pferd, das kräftig und gut gepflegt war, mit zottiger Mähne, dann stieß er die Stiefelspitze gegen den Kufenbogen des Schlittens.
»Was kostet eigentlich heutzutage so ein Gespann?«
Der Fuhrmann wunderte sich nicht weiter über diese Frage, denn er betrieb sein Geschäft in Moskau schon länger und hatte genügend kauzige Menschen gesehen – die übrigens beim Trinkgeld oft freigebiger waren als andere.
»Gut und gerne fünfhundert Goldrubel«, kam seine großspurige Antwort, womit er, um des Eindrucks willen, gelinde übertrieb.
Was dem vornehmen Herrn nun einfiel, war allerdings stark. Er zog eine goldene Uhr an goldener Kette aus der Tasche und sagte: »Diese Breguet ist mit Diamanten besetzt und mindestens t-tausend Rubel wert. Steck sie ein. Schlitten und Pferd gehören mir.«
Der Kutscher riß den Mund auf und klapperte mit den Augendeckeln – wie verzaubert starrte er auf das Gold, das in der Sonne heftig funkelte.
»Überlege schneller!« rief der verrückte General. »S-sonst suche ich mir einen anderen.«
Kurz entschlossen packte der Fuhrmann die Breguet, stopfte sie sich blitzschnell in den Mund – da die Kette nicht ganz mit hineinging, baumelte sie ihm um den Bart. Stieg aus dem Schlitten, warf die Peitsche hin, klopfte seinem Fuchs zum Abschied auf die Kruppe und machte, daß er davonkam. Doch da schien der wunderliche Herr sich zu besinnen.
»Stopp!« rief er ihm nach. »Komm zurück!«
Ergeben kam der Kutscher zurück zum Schlitten getrottet, konnte sich aber noch nicht entschließen, die Beute wieder freizugeben.
»Momma-mummami-merr, mammamei-memmer-merr, mammohehi-memmapp!« brummelte er vorwurfsvoll, und das hieß: »So was tut man nicht, Herr, das war ein schlechter Scherz, das kostet Sie einen Schnaps.«
»Laß uns noch mehr t-tauschen«, schlug der Geisteskranke vor. »Deinen Pelz und die Handschuhe gegen meinen. Und die Mütze gib auch!«
Er schlüpfte in den Schafpelz, knöpfte die Mütze an, die Ohren- und Nackenschützer zum Herunterklappen hatte, und warf dem Kutscher dafür seinen edlen Wollmantel mitBiberpelzfutter zu, stülpte ihm den sämischledernen Zylinder auf.
»Und jetzt verdufte, laß dich ja nicht mehr blicken!«
Der Kutscher raffte die Schöße – der Mantel war ihm etwas zu lang – und fegte über den Boulevard, daß die geflickten Stiefel nur so flogen und die goldene Uhrkette gegen das Ohr schlug.
Fandorin machte es sich im Schlitten bequem, schnalzte ein paarmal, um das nervös gewordene Pferd zu besänftigen, und begann zu warten.
Es dauerte ungefähr fünf Minuten, dann fuhr vor dem Portal des Polizeipräsidiums eine geschlossene Kutsche vor. Posharski erschien mit einem Strauß Teerosen im Arm und verschwand in dem
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