Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
viel des Guten wäre, bedachte die Kommissarin mit einem kurzen Nicken, das er mit einem » Nun gut« versah, und zog sich zurück.
Viviane seufzte glücklich. Man hatte ihr keinen Platz angeboten, ihre Schuhe drückten sie, die Krümel der Macarons kratzten in ihrem Hals, sie hatte einen leichten Schluckauf vom Champagner, die Stopfleber stieß ihr sauer auf, aber es war wirklich ein schöner Abend.
Kapitel 2
» Wer ist dieser Typ?«, fragte Viviane.
Der Minister antwortete mit einem eisigen Flüstern, das zu 0 Dezibel tendierte: » Dieser Typ, Madame, ist ein Herr, genauer gesagt der Gründungspräsident des Esprit-Clubs, Alexandre Mpfmpf…«
Er hatte die Stimme derart respektvoll gedämpft, dass die Kommissarin sich nicht sicher war, richtig gehört zu haben. » Wie der Exminister? Sind die verwandt?«
» Er ist sein Bruder. Das Vermögen des Esprit-Clubs befindet sich beinahe gänzlich in Händen der Familie, und wir müssen ihnen einen Dienst erweisen.«
» Aber… er gehört der Opposition an.«
» Eben!«
Da Viviane ihn mit großen Augen ansah, drehte der Minister sich konsterniert zum Allmächtigen um: » Tun Sie etwas, mein Freund, sie gehört Ihnen, sie ist zu dumm für mich.« Das hatte er zwar nicht gesagt, aber seine Geste hatte dies sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
» Wenn wir einem Mitglied der Mehrheit einen Dienst erweisen«, übersetzte der Allmächtige, » dann erweisen wir nur ihm persönlich einen Dienst. Wenn es um eine Persönlichkeit der Opposition geht, erweisen wir auch uns selbst einen Dienst: Je diskreter dieser Dienst ausfällt, desto teurer wird er bezahlt, verstehen Sie, Commissaire?«
Viviane verstand, etwas enttäuscht. Es hatte ihr stets gefallen, sich vorzustellen, wie über ihr im Olymp höhere Mächte und große Geister herrschten, doch stattdessen musste sie nun entdecken, welcher Art die Fälle tatsächlich waren, die in den gold- und lederdurchwirkten ministeriellen Räumlichkeiten behandelt wurden. » Aber wenn die Ermittlungen auf Rhodos stattfinden sollen, warum schickt man denn mich? Dort drüben gibt es doch auch eine Polizei.«
Der Allmächtige ließ ein professorales » Tss, tss« verlauten und erklärte, dass der Ferienclub auf einem wunderschönen Gelände gebaut worden sei, in einer kleinen Bucht, fünf Minuten von der alten Stadt Lindos entfernt– Lindos, die weiße Stadt, die Perle der Insel. Dieses Gelände habe der Esprit-Club durch einen Erbpachtvertrag gepachtet, der ihm die Benutzung bis 2079 garantiere. Jetzt sei aber der Eigentümer ganz versessen darauf, sich das Gelände zugunsten eines Immobilienprojektes großen Ausmaßes wieder anzueignen: Lindos 2, eine neue Stadt, auf alt gemacht, eine Eins-zu-eins-Übernahme der alten, nur dass die Straßen breiter und die Häuser komfortabler sein sollten. Dementsprechend auch die Mieten.
Als der Minister das hörte, nickte er und verdrehte gierig die Augen; das hier waren Probleme, mit denen er sehr vertraut war, wirkliche Probleme, die voller Inspiration und Geld waren.
» Ja und? Ich werde doch nicht zu einem Vertrag ermitteln.«
» Zu einem Vertrag nicht, Commissaire, aber zu einem Verbrechen. Vielleicht zu einem Verbrechen. Und das ist ärgerlich, denn der Vertrag enthält eine Klausel zur Vertragsaufhebung im Falle eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung. Nun hat aber Anfang des Monats ein Mitarbeiter des Bürgermeisters von Lindos, der mit der ganzen Familie vor dem Club in einem Motorboot herumkreuzte, ein nacktes Pärchen auf einem Felsen des Clubgeländes stehen sehen. Den Skandal können Sie sich ja vorstellen. Und erst vorgestern, am Abend des 14. Juli, hat man den Chef des Dorfes erhängt aufgefunden. Zwei Verstöße in zwei Wochen ist ein bisschen viel für die öffentliche Ordnung. Brigadier Vermeulen, vom Hauptkommissariat in Tourcoing, hat dort Urlaub gemacht. Er wird Ihnen das Ganze selbst erzählen.«
Der dicke Mann, der noch kein Wort von sich gegeben hatte, berichtete also von diesem kläglichen 14 . Juli. Er sah ganz erbärmlich aus, als er davon erzählte, und das verstärkte sich noch, als Viviane zu dem Schluss kam: » Seien Sie still! Sie widern mich an.«
Der lebhafte Latino hörte fasziniert zu.
» Waren Sie auch als Tourist da? Haben Sie auch die Carmagnole um den Toten herum getanzt?«, fragte ihn die Kommissarin.
Der Minister herrschte sie beleidigt an: » Aber Commissaire, erkennen Sie Lieutenant Creuillif nicht? Er gehört zu den besten Athleten der
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