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Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Termin«, und lief zu Caroll.
    Freudlos trat sie ein. Die Zeit des Schlussverkaufs war fast vorüber, es gab nur noch Reste oder die neue Kollektion, die für ihr Kommissarsgehalt viel zu teuer war. Eine junge rothaarige Verkäuferin erkannte sie und schnappte sie sich: » Sie, ich habe da was für Sie.« Da Viviane von dem, was sie brauchte, keine Vorstellung hatte, ließ sie die Verkäuferin einfach machen. Sie brachte ihr eine Jacke im Safari-Style und einem nüchternen hellen Olivton und dazu das passende Kleid. » Das ist das Modell aus dem Artikel ›Der Glamour der Rundlichen‹ in ›Mode für Mollige‹, das ist doch wie für Sie gemacht. Ich hole Ihnen mal die 44, oder?«
    Die junge Rothaarige brachte sie zur Umkleidekabine. Viviane zog sich um und schämte sich für ihre Unterwürfigkeit. Sie wagte es nicht, diesem Mädchen zu widersprechen, es war jedes Mal das Gleiche; sie trat aus der Kabine, um sich zu zeigen.
    » Oh, sehen Sie darin süß aus, und es macht Sie schlanker. Etwas Besseres hätten Sie nicht finden können. Nehmen Sie noch die Hose dazu.«
    Das süß blieb der Kommissarin im Hals stecken, es war grotesk, ja beinahe beleidigend. Süß! War sie das jemals gewesen? Aber die Verkäuferin hatte recht, etwas Besseres würde sie nicht finden, vor allem nicht mit fünfzig Prozent Rabatt, dafür hatte sie keine Zeit mehr.
    Viviane behielt das Ensemble gleich an und ging auf die andere Straßenseite, um passend zur Jahreszeit ein paar graue Pumps zu kaufen. Gerade als sie bezahlen wollte, bemerkte sie, dass nicht die grauen, sondern die pistaziengrünen Pumps reduziert waren. Pistazie und Oliv, diese Mischung war unverdaulich: Sie nahm die grauen und ergriff wütend über ihren Einkauf die Flucht. Es war idiotisch, der Cocktailempfang würde lange dauern, ihr würden die Füße weh tun. Füße, die Männer im Übrigen keines Blickes würdigten.
    Wie jedes Jahr hatte sie alles zu schnell ausgewählt, freudlos und unbedacht. Wie schafften es andere Frauen, den Schlussverkauf zu nutzen und ihren Kleiderschrank mit so viel Leichtigkeit neu auszustatten? Diese Frauen kamen wohl mit sich selbst nicht ganz klar. Oder sie hatten einen krankhaften Bezug zu ihrem Körper, ein Bedürfnis, sich zu lieben. Ja, das musste es sein.
    Im Ministerium war es heiß und stickig. Das Buffet sah verlockend und frisch aus, aber niemand wagte es, sich vor dem Minister daran zu bedienen. Während alle auf ihn warteten, wurde geplaudert, einander zugerufen und darauf geachtet, die besten Plätze zu behalten: die Plätze bei der großen, bereits zerlegten Languste, die in der Mitte des Haupttisches thronte. Vivianes Männer hatten dort schon als geschlossene Menge Stellung bezogen; sie wichen auseinander, damit ihre Kommissarin zu ihnen stoßen konnte. Sie hatte sie erst eine Stunde zuvor verlassen, aber sie schienen sie nicht wiederzuerkennen und überschütteten sie mit: » Das steht Ihnen aber gut«, » Das macht Sie schlank«. Capitaine De Bussche wagte ein: » Das streckt Sie«. » Das Grau ist schick, es macht einen schönen Fuß«, übertraf Wachtmeister Kossowski das Gesagte noch. Sie übertrieben, alle drehten sich zu ihr um, um sie zu begutachten, es war unerträglich.
    Und dann sah sie ihn plötzlich hereinkommen.
    Lieutenant Monot war blass, er wirkte unsicher auf den Beinen. Er bewegte sich vorsichtig, wie Kranke eben gehen, wenn sie nach langer Bettlägerigkeit wieder aufstehen. Sie winkte ihm zu, aber er traute sich nicht, sich durch die Menge zu drängeln. Also ging sie ihm entgegen.
    » Oh, das ist hübsch, dieses Olivgrün, Sie sehen darin süß aus«, sagte er schüchtern. Nur er fand dafür solche Worte, sie hätte ihn küssen können. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt: Gerade war der Minister eingetreten, eskortiert von der strahlenden Priscilla Smet, die ein unverschämt leuchtend rotes Jackett trug. Im Vorbeigehen schnappte sich die Pressefrau Augustin Monot, ohne Viviane eines Blickes zu würdigen. Die Zeremonie würde beginnen.
    Die kleine Smet schlug einen Ordner auf und reichte dem Minister zwei Blätter. Hatte sie die Rede vorbereitet?
    Ja, hatte sie, dessen war sich Viviane bald sicher. Der Minister stolperte über Wörter und schien von dem Ton einiger Passagen verwirrt. Der Redner überschüttete Augustin Monot mit Lob, Priscilla hatte ihr Synonym-Wörterbuch ausgeschöpft: die entscheidende, maßgebliche Rolle des Lieutenant im Sonett-Fall, sein Scharfblick und seine Beobachtungsgabe,

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