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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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markierte den Fall auf seiner Liste mit einem roten »Ay« und nahm die zum nächsten Fall gehörenden Papiere zur Hand.
    »Nummer 26742 ist ebenfalls ein Weißer… achtundsiebzig Jahre alt… Diabetiker.« Er überflog rasch die Unterlagen, um ihnen das Wesentliche zu entnehmen. »Wurde sieben Tage lang nicht gesehen… seine Schwester hat ihn gefunden… keine Spuren von Gewaltanwendung.« Er las ein paar Sekunden stumm weiter. »Merkwürdig ist allerdings, daß die Schwester sich ziemlich viel Zeit ließ, bevor sie die Polizei verständigte. Offenbar hat sie noch einen kleinen Hausputz veranstaltet.« Er blickte auf. »Dr. Pelletier?«
    Der alte Pathologe zuckte mit den Achseln und streckte LaManche die Hand hin. Der legte ihm die Unterlagen hinein und schrieb ein rotes »Pe« auf seine Liste. Zu dem Polizeibericht gehörte auch eine Plastiktüte voller rezeptpflichtiger und frei verkäuflicher Medikamente. Pelletier nahm die Plastiktüte an sich und machte eine schlaue Bemerkung, die ich nicht verstand, weil ich meine Aufmerksamkeit bereits dem Stapel Polaroidphotos zugewandt hatte, die zum dritten Fall gehörten.
    Sie zeigten aus verschiedenen Aufnahmewinkeln ein flaches Bachbett, über das eine schmale Fußgängerbrücke führte. Zwischen den Felsen des Bachbetts lag ein kleiner Körper mit zusammengeschrumpften Muskeln und gelblicher Haut, die aussah wie altes Pergament. An seinem Schädel wehte noch eine dünne Haarsträhne in der Luft, eine weitere lag über den blaßblauen Augenlidern. Die Finger des Kindes waren auseinandergespreizt, als habe es in seiner Verzweiflung noch nach einem rettenden Halt gesucht. Das Baby war nackt und steckte zur Hälfte in einem dunkelgrünen Plastiksack, was ihm das Aussehen eines kleinen Pharaos gab, dessen Mumie man zur Hälfte ausgewickelt hatte. Langsam, aber sicher wurden mir Plastiksäcke richtig unsympathisch.
    Ich legte die Photos wieder auf den Tisch und hörte LaManche zu, der soeben seine Zusammenfassung beendete und den Fall mit einem »La« markierte. Er würde die Autopsie selbst vornehmen, und ich sollte ihm mit einer Skelettanalyse bei der genauen Altersbestimmung helfen. Bergeron würde sich später noch die Zähne ansehen. Alle nickten zustimmend. Weil niemand mehr Fragen hatte, war die Sitzung zu Ende.
    Ich holte mir einen Kaffee und begab mich wieder in mein Büro, wo ein großer, brauner Umschlag auf meinem Schreibtisch lag. Ich öffnete ihn und legte die Röntgenaufnahmen des Babys auf den Leuchttisch. Dann nahm ich aus einer der Schreibtischschubladen ein Formular und besah mir die erste Aufnahme. An beiden Händen waren jeweils nur zwei Handwurzelknochen ausgebildet. An den Fingergliedern waren keine Knochenkerne zu sehen, ebensowenig wie bei den Speichenknochen der Unterarme. Ich notierte mir auf meinem Formularblatt, welche Knochen bereits ausgebildet waren und welche nicht. Als ich mit dem Oberkörper fertig war, wandte ich mich der Aufnahme des Unterleibs zu und verglich sie mit dem zuerst begutachteten Röntgenfilm. Als ich fertig war, war mein Kaffee kalt geworden.
    Babys kommen mit einem noch nicht vollendeten Skelett auf die Welt. Manche Knochen, wie die Handwurzelknochen, fehlen bei der Geburt und werden erst Monate oder sogar Jahre später gebildet. Andere Knochen sind zwar vorhanden, aber haben noch keine Verdickungen und Grate wie die Knochen eines Erwachsenen. Weil die fehlenden Knochen alle in einem bestimmten Alter gebildet werden, kann man aus ihrem Vorhandensein oder Fehlen ziemlich genau das Alter eines Kleinkindes ableiten. Dieses Baby war nur sieben Monate alt geworden.
    Ich hielt meine Ergebnisse auf einem weiteren Formular fest, steckte alle Papiere in einen gelben Aktenhefter und legte ihn auf den Stapel für die Sekretärinnen, die die Ergebnisse meiner Untersuchungen zusammen mit dem restlichen Material dieses Falles zu einem Bericht zusammenfassen würden. Dabei würden sie auch mein noch immer nicht perfektes Französisch verbessern. Nachdem ich LaManche mündlich von meinen Ergebnissen unterrichtet hatte, wandte ich mich meinen Klumpen zu.
    Obwohl sich der Lehm noch nicht aufgelöst hatte, war er in der Zwischenzeit doch so weit aufgeweicht, daß ich die Knochen mit einiger Mühe davon befreien konnte. Fünfzehn Minuten später hatte ich acht Wirbel, sieben längere Knochenfragmente und drei Bruchstücke von einem Becken vor mir liegen. Alle wiesen Hack- und Schnittspuren auf. Es dauerte noch einmal eine halbe Stunde, bis

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