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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Tagesanbruch mit, ein Ereignis, das ich in etwa so herbeisehnte wie ein Politiker ein Mißtrauensvotum. Ich mache zwar keinen Mittagsschlaf, aber eine Frühaufsteherin bin ich auch nicht. Zweimal war ich in der Morgendämmerung ins Bett gegangen, jetzt reckte und streckte ich mich nach elf Stunden Schlaf im Bett und fühlte mich weder müde noch ausgeruht.
    Nach Gabbys Anruf war ich nach Hause gefahren und hatte mich erst einmal einer Freßorgie aus der Kentucky-fried-chicken-Tüte hingegeben: fettiges Backhähnchen mit Kartoffelbrei aus dem Päckchen und künstlich schmeckender Soße, dazu einen viel zu weich gekochten Maiskolben und zum Dessert eine labbrige Apfelschnitte. Merci, Colonel. Danach hatte ich ein langes, heißes Bad genommen und ausgiebig die Wunde an meiner rechten Wange versorgt. Auch nach diesem mikrochirurgischen Eingriff sah ich noch aus, als hätte man mich ein paar Meter über den Asphalt geschleift. Gegen sieben hatte ich dann ein Spiel der Montreal Expos angeschaut und war nach kurzer Zeit vor dem Fernseher eingeschlafen.
    Jetzt schaltete ich meinen Computer ein, dem es egal war, ob es sechs Uhr morgens oder sechs Uhr nachmittags war. Ich hatte Katy eine E-Mail in meine Mailbox auf dem Server der University of North Carolina in Charlotte geschickt, auf die sie mit ihrem Laptop per Modem Zugriff hatte, so daß sie mir direkt aus ihrem Zimmer eine Antwort schicken konnte. Ist schon eine tolle Sache, das Internet, dachte ich.
    Nachdem ich in meiner Mailbox nachgesehen hatte – sie war leer – lud ich mir meine Tabelle auf den Schirm. Der Cursor blinkte im ersten Feld, was vollkommen in Ordnung war, denn die Tabelle enthielt lediglich die Spaltenüberschriften, aber noch keine Daten. Wann genau hatte ich sie angelegt? Am Tag der Parade, vor einer Woche, aber es kam mir so vor, als wäre es bereits Jahre her. Heute war der 30. Juni, und auf den Tag genau vor vier Wochen hatten wir Isabelle Gagnons Leiche gefunden. Vor einer Woche war Margaret Adkins ermordet worden.
    Was hatten wir in der Zwischenzeit erreicht, außer daß wir eine weitere Leiche ausgegraben hatten? Die Wohnung in der Rue Berger wurde noch immer beobachtet, aber ihr Bewohner war nicht zurückgekommen. Wer hätte das gedacht? Die Durchsuchung hatte keine brauchbare Spur ergeben. Wir hatten keine Hinweise auf die wirkliche Identität von Monsieur St. Jacques, ebensowenig war es uns gelungen, die zuletzt gefundene Leiche zu identifizieren. Claudel wollte es immer noch nicht wahrhaben, daß zwischen den Morden ein Zusammenhang bestand, und Ryan betrachtete mich als »Freiberuflerin«. Toll.
    Ich wandte mich wieder meiner Tabelle zu und erweiterte die Kategorien. Besondere Merkmale. Wohnort. Art der Wohnung. Arbeitsplatz. Freunde. Familienmitglieder. Tag, an dem die Leiche gefunden wurde. Ich schrieb alles auf, was auch nur im entferntesten einen Hinweis geben konnte. Ganz links trug ich die Namen der Opfer ein: Adkins, Gagnon, Trottier, und » Inconnue « für die noch unidentifizierte Tote aus St. Lambert. Um halb acht speicherte ich die Tabelle ab, packte den Laptop ein und machte mich fertig, um zur Arbeit zu gehen.
    Weil auf meiner normalen Route Stau war, fuhr ich zum Ville-Maria Tunnel. Obwohl die Sonne längst aufgegangen war, sorgten dunkle Wolken dafür, daß die Stadt in ein düsteres Halbdunkel getaucht war. Die Straßen glänzten feucht vom Regen und spiegelten die Bremslichter der im Berufsverkehr dicht hintereinander herfahrenden Autos.
    Die Scheibenwischer meines Wagens rutschten in monotonem Rhythmus über die Windschutzscheibe und erzeugten zwei fächerförmige, milchig-trübe Schmierflächen. Ich beugte mich vor und linste wie eine Schildkröte aus ihrem Panzer hinaus auf die Straße. Höchste Zeit, daß du dir neue Wischerblätter kaufst, Brennan, sagte ich mir, aber ich wußte, daß ich es sowieso nicht tun würde. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis ich im Institut war.
    Dort wollte ich mich eigentlich sofort auf die Akten stürzen und mit den darin enthaltenen Details meine Tabelle füttern, aber zuerst mußte ich mich mit den zwei Nachrichten befassen, die ich auf meinem Schreibtisch vorfand. In einem städtischen Park war zwischen den Felsen eines künstlichen Bachbettes ein toter, männlicher Säugling gefunden worden. Das Gewebe der winzigen Leiche war, LaManches Mitteilung zufolge, so vertrocknet, daß sich die inneren Organe nicht mehr voneinander unterscheiden ließen. Ansonsten war sie gut erhalten.

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