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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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oder der SQ untergebracht, je nachdem, welcher Sprache man den Vorzug gibt. Für englischsprachige Kanadier heißt die Polizei der Provinz Quebec Quebec Provincial Police, während ihre frankophonen Landsleute dieselbe Behörde La Sûreté du Québec nennen. Das Laboratoire de Médecine Légale teilt sich den vierten Stock des Gebäudes in der Rue Parthenais mit dem Laboratoire des Sciences Judiciaires, wie hier das zentrale kriminaltechnische Labor der Provinz Quebec heißt. Das LML und das LSJ bilden zusammen eine Behörde, die Direction de l’Expertise Judiciaire, kurz DEJ, genannt wird. Die Leichenhalle und die Autopsieräume, die ebenfalls zum LML gehören, befinden sich zusammen mit dem Untersuchungsgefängnis im Keller des Gebäudes.
    Diese Behördenkonzentration hat durchaus ihre Vorteile, denn wenn ich Fasern oder Bodenproben untersuchen lassen will, brauche ich nur den Gang entlangzugehen. Die Nachteile machen sich dann bemerkbar, wenn mich Beamte der SQ, für die es nur eine kurze Aufzugsfahrt in mein Büro ist, von der Arbeit abhalten. Auch ihre Kollegen von der Stadtpolizei, die zwar in einem anderen Gebäude untergebracht sind, aber häufig bei der SQ zu tun haben, schneien gerne unangemeldet herein.
    So wie an diesem Morgen. Als ich zu meinem Büro ging, wartete auf dem Gang bereits Claudel auf mich. Er hatte einen kleinen, braunen Umschlag dabei, auf den er nervös mit den Fingern trommelte.
    »Ich habe die Unterlagen von Gagnons Zahnarzt«, sagte er und hielt den Umschlag wie jemand, der daraus gleich den Namen eines Oskar-Gewinners ziehen wird.
    »Ich bin sogar selber hingefahren und habe sie abgeholt.«
    Claudel las den Namen, der auf den Umschlag gekritzelt war. »Ein gewisser Dr. Nguyen. Er hat seine Praxis drüben in Rosemont. Wenn die Sprechstundenhilfe keine solche Idiotin gewesen wäre, hätte ich sie schon vor einer Stunde gehabt.«
    »Wollen Sie vielleicht eine Tasse Kaffee?« fragte ich. Obwohl ich Dr. Nguyens Sprechstundenhilfe nicht kannte, war ihr mein vollstes Mitgefühl gewiß. Die arme Frau hatte wahrlich keinen angenehmen Tagesanfang gehabt.
    Claudel öffnete den Mund, aber ich sollte nie erfahren, ob er mein Angebot nun annehmen oder ablehnen wollte, denn in diesem Augenblick kam Marc Bergeron um die Ecke. Offenbar ohne uns zu bemerken, schritt er an der Reihe von glänzenden, schwarzen Bürotüren entlang und blieb neben meiner stehen. Er zog ein Knie an und stellte seine Aktentasche auf den erhobenen Oberschenkel, was mich unwillkürlich an die Kranich-Position im Film Karate Kid erinnerte. Bergeron öffnete die sorgsam balancierte Tasche und holte einen Schlüsselbund heraus.
    »Marc?« sagte ich.
    Er zuckte zusammen, klappte die Tasche zu und nahm sie gleichzeitig von seinem Knie herunter.
    » Bien fait «, sagte ich und unterdrückte ein Grinsen.
    » Merci .« Mit der Aktentasche in der linken und dem Schlüsselbund in der rechten Hand blickte er Claudel und mich an.
    Marc Bergeron sah wirklich seltsam aus. Er war Ende fünfzig, vielleicht auch Anfang sechzig und hatte eine Stirnglatze, hinter der sich seine restlichen Haare zu einem wilden, weißen Kranz kräuselten. Die Gläser seiner kleinen Nickelbrille waren immer verschmiert und verstaubt, und beim Lesen blinzelte er, als müsse er gerade das Kleingedruckte auf einem Kaufvertrag entziffern.
    »Monsieur Claudel hat die zahnärztlichen Unterlagen von Isabelle Gagnon«, sagte ich und deutete auf den Detektive. Wie zur Bestätigung meiner Worte hob Claudel den Umschlag in die Höhe.
    Die Augen hinter den schmutzigen Brillengläsern sahen Claudel und mich mit leerem Blick an. Mit seinen in alle Richtungen abstehenden weißen Haaren erinnerte mich Bergeron an eine riesige Pusteblume, und mir wurde klar, daß ihn noch niemand über unseren Fall informiert hatte.
    Wie ich früher auch, gehörte Bergeron zu den Spezialisten, die das LML als freie Mitarbeiter für besondere Aufgabengebiete beschäftigte. Es gab Neuropathologen, Radiologen, Mikrobiologen, Anthropologen, Odentologen. Bergeron kam nur an einem Tag in der Woche ins Labor, an den anderen behandelte er Patienten in seiner Zahnarztpraxis.
    Ich gab ihm eine kurze Zusammenfassung: »Am vergangenen Donnerstag haben Arbeiter auf dem Gelände des Grand Seminaire Knochen gefunden. Pierre LaManche dachte zunächst, es sei wieder einmal ein alter Friedhof gefunden worden, und schickte mich hin. Aber es war kein Friedhof.«
    Bergeron stellte die Aktentasche auf den Boden und sah

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