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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Bericht würde Bergeron genau auf jeden einzelnen Zahn eingehen, aber bereits jetzt schien für ihn kein Zweifel daran zu bestehen, daß es sich bei der Toten um Isabelle Gagnon handelte.
    Ich war froh, daß ich nicht diejenige war, die ihre Eltern verständigen mußte. Oder einen Ehemann, einen Lebensgefährten oder gar ein Kind. Ich hatte so etwas schon miterlebt und kannte den Ausdruck in ihren Gesichtern, den flehenden Blick in ihren Augen. Bitte, sag, daß es nicht so ist. Sag mir, daß euch ein Fehler unterlaufen ist. Daß ich einen schlechten Traum gehabt habe. Weck mich auf. Erst nach einiger Zeit kam das Verstehen, und innerhalb einer Millisekunde veränderte sich für diese Menschen die ganze Welt.
    »Danke, daß Sie sich die Bilder gleich angesehen haben, Marc«, sagte ich. »Und danke auch für das kleine Vorspiel.«
    »Ich wünschte, alles wäre so einfach wie das.« Er nahm einen Schluck Kaffee, verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
    »Soll ich Claudel Bescheid sagen?« fragte ich und versuchte dabei, nicht allzu angewidert zu klingen. Offenbar gelang es mir nicht ganz, denn Bergeron sah mich mit einem wissenden Lächeln an.
    »Ich glaube, Sie werden mit Monsieur Claudel schon fertig«, meinte er dann.
    »Stimmt«, sagte ich, »aber er ist ein harter Brocken.«
    Ich hörte Bergerons Lachen noch auf dem Weg hinüber in mein Büro.
    Etwas Gutes ist in jedem Menschen, pflegte meine Großmutter zu sagen. »Du mußt es nur suchen«, fügte sie dann meistens in ihrem seidenweichen irischen Dialekt hinzu, »dann findest du es auch. Jeder Mensch hat eine Tugend.« Sei froh, daß du Claudel nicht gekannt hast, Großmama.
    Claudels Tugend war die Pünktlichkeit. Bereits fünfzig Minuten später klopfte er an die Tür zu Bergerons Büro.
    Ich hörte, wie Bergeron mehrmals meinen Namen nannte, und der Ton, in dem Claudel ihm darauf antwortete, signalisierte eine gewisse Verärgerung. Er war gekommen, um die Meinung eines Experten zu hören, und nun mußte er sich schon wieder mit mir begnügen. Kurze Zeit später erschien er mit mürrischem Gesicht in meiner Tür.
    Claudel blieb grußlos auf der Schwelle stehen.
    »Es ist Isabelle Gagnon«, sagte ich, ebenfalls ohne ein Wort des Grußes. »Definitiv.«
    Obwohl Claudel die Stirn runzelte, konnte ich ein Blitzen in seinen Augen entdecken. Jetzt, wo er wußte, wer das Opfer war, konnte er mit seiner Untersuchung beginnen. Ich fragte mich, ob er so etwas wie Bedauern für die Tote empfand, oder ob er den Fall als eine Art Katz- und Mausspiel betrachtete. Sei schlauer als der Täter. Finde heraus, wer er ist. Schon oft habe ich Polizisten ihre Witze über den gräßlichen Zustand eines Opfers reißen hören. Für viele ist dieser Schutzschild aus Aufschneiderei und schwarzem Humor die einzige Möglichkeit, mit dem Grauen umzugehen, das sie tagtäglich umgibt. Bei manchen allerdings geht die Abgebrühtheit tiefer, und ich vermutete, daß Claudel zu dieser Kategorie zählte.
    Ich sah ihn einige Sekunden lang an, während irgendwo draußen auf dem Gang ein Telefon klingelte. Claudel war mir zutiefst unsympathisch, aber ich mußte mir eingestehen, daß mir seine Meinung wichtig war. Es ging mir mit ihm wie mit allen Polizisten: Ich wollte anerkannt und gemocht werden, ich wollte, daß sie mich als ihresgleichen akzeptieren.
    In Gedanken sah ich auf einmal wie in einem holographischen Bild meine alte Psychologin Dr. Lentz vor mir.
    »Tempe«, dozierte sie, »du bist die Tochter eines Alkoholikers. Und das bedeutet, daß du überall nach der Aufmerksamkeit suchst, die er dir vorenthalten hat. Du willst die Anerkennung deines Daddys, und deshalb versuchst du, es allen Leuten recht zu machen.«
    Sie hatte mir das zwar klargemacht, aber ändern hatte sie es nicht können. Das konnte nur ich selbst. Manchmal, wenn ich meine Schwächen überkompensierte, hielten mich die Leute für eine ausgesprochen unangenehme Zeitgenossin. Mit Claudel allerdings tat ich genau das Gegenteil. Mir fiel auf, daß ich jeder Auseinandersetzung mit ihm aus dem Weg ging.
    Auch jetzt wählte ich, nachdem ich tief Luft geholt hatte, meine Worte mit Bedacht.
    »Monsieur Claudel, haben Sie eigentlich schon einmal in Betracht gezogen, daß dieser Mord mit den anderen Morden in Verbindung stehen könnte, die sich in den vergangenen zwei Jahren hier ereignet haben?«
    Claudels Gesicht versteinerte sich. Seine Lippen wurden dabei so straff über die Zähne gespannt, daß sie nur noch dünne Striche

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