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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Gabby winkte mir zu. Sie schloß ab, rüttelte an der Klinke, um sich zu vergewissern, ob die Tür auch wirklich zu war, und kam rasch die steile Treppe herunter. Ihr langes Kleid blähte sich dabei wie ein Spinnaker bei achterlichem Wind. Ich hörte, wie sie sich mir näherte. Gabby liebte alles, was glitzert und klimpert, und an diesem Abend trug sie eine Kette mit kleinen silbernen Glöckchen an einem ihrer Fußknöchel. Schon an der Universität hatte ich Gabbys Art, sich zu kleiden, als Nouveau Ashram bezeichnet. Sie zog sich noch immer so an.
    »Na, wie geht’s?«
    »Nicht schlecht«, sagte ich ausweichend.
    Noch beim Sprechen wußte ich, daß es nicht stimmte. Aber ich wollte mit ihr ebensowenig über die Morde, Claudel oder meinen geplatzten Ausflug nach Quebec City reden wie über meine kaputtgegangene Ehe oder all die anderen Sachen, die mir in letzter Zeit die Seelenruhe störten.
    »Und dir?«
    » Bien .«
    Gabby schüttelte den Kopf, daß ihre Locken durch die Luft flogen. Bien. Pas bien. Wie in alten Zeiten. Aber nicht ganz. Das merkte ich an mir selbst. Und auch Gabby war zurückhaltend und schien eher über Belanglosigkeiten reden zu wollen. Das machte mich ein wenig traurig, aber weil ich wohl diejenige gewesen war, die damit angefangen hatte, sagte ich nichts und hielt mich an unsere stillschweigende Übereinkunft, keine heiklen Themen anzuschneiden.
    »Na, wo wollen wir denn nun hingehen?«
    Ich sagte das nicht, um das Thema zu wechseln, denn schließlich hatten wir ja noch gar kein Thema angefangen.
    »Worauf hättest du denn Lust?«
    Ich dachte darüber nach. Normalerweise treffe ich solche Entscheidungen, indem ich mir ein bestimmtes Gericht vorstelle. Mein Gehirn reagiert am besten auf visuelle Reize. Es hat sozusagen eine graphische, menügesteuerte Benutzeroberfläche, was im Zusammenhang mit Essen gar nicht mal so abwegig klingt. Heute wollte es etwas Rotes und Schweres.
    »Wie war’s mit Italienisch?«
    »Gerne.« Gabby dachte kurz nach. »Was hältst du vom Vivaldi’s gleich drüben in der Rue Prince Arthur? Da könnten wir draußen sitzen.«
    »Super. Und ich muß diesen Parkplatz nicht aufgeben.«
    Wir gingen quer durch den mit großen Bäumen bestandenen Park. Auf den Bänken saßen vornehmlich alte Männer, die sich in kleinen Gruppen unterhielten. Eine Frau, die eine Duschhaube trug, fütterte die Tauben mit Brot aus einer Plastiktüte. Auf einem der im Zickzack durch den Park führenden Gehwege patrouillierten mit hinter dem Rücken verschränkten Händen zwei uniformierte Polizisten. Ab und zu blieben sie stehen und redeten freundlich mit den Leuten.
    Als wir am westlichen Rand des Parks an dem Aussichtsturm vorbeikamen, wunderte ich mich wie jedes Mal, warum das moderne Bauwerk aus Stahlbeton ausgerechnet den Namen des römischen Kaisers Vespasian trug.
    Wir verließen den Platz, überquerten die Rue Laval und gingen zwischen einem Paar Betonsäulen durch, die den Eingang zur Rue Prince Arthur markierten. Die ganze Zeit über hatten wir kein Wort miteinander gesprochen. Das war merkwürdig, denn Gabby war sonst nie so still und zurückhaltend. Normalerweise sprudelten Pläne und Ideen nur so aus ihr heraus. Außerdem war es vollkommen untypisch für sie, daß sie sofort auf meine Vorschläge einging.
    Im Gehen betrachtete ich Gabby verstohlen aus dem Augenwinkel. Sie sah sich die Gesichter der an uns vorbeigehenden Leute genau an und nagte dabei am Fingernagel eines ihrer Daumen herum. Das war kein gedankenloses Umherblicken. Irgend etwas schien sie nervös zu machen und ließ sie auf dem belebten Gehsteig nach jemandem Ausschau halten.
    An diesem schwülwarmen Abend wimmelte die Rue Prince Arthur von Menschen. Die Restaurants hatten alle ihre Türen geöffnet, und Tische und Stühle standen so kreuz und quer auf dem Trottoir, als sollten sie erst später geordnet werden. Männer in kurzärmeligen Baumwollhemden und Frauen in schulterfreien Kleidern saßen schwatzend und lachend unter den bunten Sonnenschirmen. Andere warteten in langen Schlangen darauf, daß ihnen ein Tisch zugewiesen wurde. Ich stellte mich in die Schlange vor das Vivaldi’s, während Gabby in einem Dépanneur an der Ecke eine Flasche Rotwein erstand.
    Als wir schließlich einen Platz bekommen hatten, bestellte Gabby Fettucini Alfredo, während ich mich für Picata Lombarda und einen kleinen Teller Spaghetti mit Tomatensoße entschied. Damit blieb ich meiner Vision von etwas Rotem zu essen wenigstens

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