Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
von Gabbys Nutten entfernt. Ein paar Meter weiter bogen wir nach rechts in die Rue Berger ab, eine von vielen sich schachbrettartig kreuzenden Seitenstraßen zwischen dem Boulevard St. Laurent und der Rue St. Denis.
Charbonneau stellte den Wagen direkt vor dem Dépanneur Berger an den Randstein. Auf einem schäbigen Schild über dem Eingang stand Bière et Vin, und in den Fenstern hingen verblichene Reklameplakate für Molson und Labatt, zwei kanadische Biermarken. Der Tesafilm an ihren Ecken war im Lauf der Jahre vergilbt. Darunter, auf dem Fensterbrett, lagen in mehreren Schichten übereinander ganze Scharen von toten Fliegen, und vor dem Schaufenster befand sich ein rostiges Eisengitter. Neben der Ladentür hockten zwei alte Männer auf klapprigen Küchenstühlen.
»Der Typ heißt Halevi«, sagte Charbonneau nach einem Blick in sein Notizbuch. »Wahrscheinlich hat er nicht allzuviel zu sagen.«
»Wie üblich«, meinte Claudel und schlug die Wagentür zu. »Aber vielleicht hilft es seinem Gedächtnis ja auf die Sprünge, wenn wir ihn ein bißchen in den Schwitzkasten nehmen.«
Die beiden Alten starrten uns schweigend an.
Als wir eintraten, klingelten ein paar Messingglöckchen an einer Schnur. Im Laden war es staubig und heiß, und es roch nach Gewürzen und alter Pappe. In der Mitte des Raumes standen zwei Regale, die ihn in einen Mittel- und zwei Seitengänge aufteilten. Die Regalbretter waren voller Pappkartons mit Konservendosen und anderen abgepackten Nahrungsmitteln.
Ganz rechts sah ich eine niedrige Kühltheke, in der Behälter mit Nüssen, getrockneten Erbsen und Mehl standen. Daneben lag eine Auswahl von ziemlich welkem Gemüse. Ich vermutete, daß die alte Kühltheke schon seit längerer Zeit nicht mehr funktionierte.
Dahinter, in Kühlregalen moderner Bauart, standen der Wein und das Bier. Im hinteren Teil des Ladens war eine weitere, oben offene Kühltheke, in der sich unter einer Plastikfolie Milch, Oliven und Feta-Käse befanden. Rechts davon, ganz in der Ecke, stand der Geldautomat. Bis auf dieses Gerät sah der ganze Laden aus, als wäre er zeitgleich mit der Aufnahme Alaskas in die Vereinigten Staaten zum letzten Mal renoviert worden.
Hinter einem Verkaufstisch links von der Eingangstür saß Mr. Halevi und redete aufgeregt in ein Funktelefon. Dabei fuhr er sich immer wieder mit der Hand über die Glatze, eine Angewohnheit, die wohl noch aus Zeiten mit fülligerer Haarpracht stammte. Auf einem Schild neben der Registrierkasse stand: L ÄCHLE, DENN G OTT LIEBT D ICH . Halevi schien diesen Rat nicht zu beherzigen, denn sein Gesicht war rot angelaufen und sichtlich verärgert. Ich hielt mich im Hintergrund und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
Claudel baute sich direkt vor dem Verkaufstisch auf und räusperte sich, worauf Halevi die Hand hob und ihm durch ein Nicken bedeutete, er solle sich einen Augenblick gedulden. Claudel schüttelte den Kopf und zeigte seine Polizeimarke, woraufhin Halevi ihn einen Augenblick lang verwirrt anstarrte, dann aber mit einem raschen Redeschwall in Hindi das Gespräch beendete. Seine durch dicke Brillengläser vergrößerten Augen huschten von Claudel zu Charbonneau und zurück.
»Ja, bitte?« sagte er.
»Sind Sie Bipin Halevi?« fragte Charbonneau auf Englisch.
»Ja.«
Charbonneau legte das Photo auf die Ladentheke. »Sehen Sie sich das hier mal an. Kennen Sie diesen Mann?«
Halevi drehte das Bild zu sich herum und beugte sich darüber, wobei er mit zittrigen Fingern die Ecken herunterdrückte. Er war nervös und bemühte sich, die Beamten zufriedenzustellen oder zumindest seinen Willen zur Kooperation zu beweisen. Bei den Dépanneuren, von denen viele geschmuggelte Zigaretten und andere Schwarzmarktware verkaufen, waren Besuche von der Polizei noch unbeliebter als Steuerprüfungen.
»Da kann man doch niemanden erkennen. Ist das ein Bild aus dem Videoband? Deswegen waren doch schon einmal Leute da. Was hat der Mann denn getan?«
Er sprach Englisch mit dem für Nordinder typischen Singsang.
»Irgendeine Idee, wer das sein könnte?« entgegnete Charbonneau, ohne auf die Fragen des Mannes einzugehen.
Halevi zuckte mit den Achseln. »Ich frage meine Kunden nicht nach ihren Namen. Außerdem ist das Bild zu unscharf. Und er dreht den Kopf weg.«
Der Ladenbesitzer rutschte auf seinem Hocker herum. Jetzt, wo er wußte, daß die Polizei wegen des Videobandes aus der Überwachungskamera hier war, war er nicht mehr ganz so nervös.
»Wohnt er hier in
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