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Tote Maedchen luegen nicht

Titel: Tote Maedchen luegen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Asher Knut Krueger
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Hände vors Gesicht. Das Pochen hinter den Augenbrauen ist wieder da. Ich presse meine Handfläche dagegen.
    »Ist schon okay«, sagt er.
    Ich kann ihn nicht ansehen. Was weiß er über mich? Was hat er gehört? »Was ist okay?«
    »Was hast du da drinnen angehört?«
    »Wie meinst du das?«
    »Welche Kassette?«
    Ich könnte alles abstreiten. So tun, als wisse ich nicht, wovon
er redet. Oder einfach davonlaufen. Aber natürlich weiß er Bescheid.
    »Es ist okay, Clay! Ganz ehrlich. Welche Kassette?«
    Mit geschlossenen Augen drücke ich meine Knöchel gegen die Stirn. »Ryan«, sage ich. »Das Gedicht.« Dann schaue ich ihn an. Sein Kopf ist zurückgelehnt, seine Augen geschlossen.
    »Warum?«, frage ich.
    Keine Antwort.
    »Warum hast du die Kassetten bekommen?«
    Er berührt den Zündschlüssel. »Können wir fahren, während du dir die nächste Kassette anhörst?«
    »Erzähl mir erst, warum sie dir die Kassetten gegeben hat.«
    »Das sage ich dir, nachdem du die nächste Kassette gehört hast.«
    »Warum?«
    »Das ist kein Scherz, Clay. Hör sie dir einfach an.«
    »Dann antworte auf meine Frage.«
    »Weil es um dich geht, Clay.« Er lässt den Schlüssel los. »Die nächste Kassette handelt von dir.«
    Nichts.
    Mein Herz bleibt ganz ruhig. Meine Augen zucken nicht. Ich halte die Luft an.
    Dann ramme ich plötzlich meinen Ellbogen mit voller Wucht gegen die Rückenlehne, traktiere die Tür und bin kurz davor, meinen Kopf gegen die Scheibe zu donnern. Doch stattdessen lasse ich ihn gegen die Rückenlehne fallen.
    Tony legt mir die Hand auf die Schulter. »Hör einfach zu«, sagt er. »Und bleib im Auto sitzen.«
    Er dreht den Zündschlüssel um.

    Ich wende ihm meinen Kopf zu, während mir Tränen über die Wangen laufen. Doch er blickt starr geradeaus.
    Ich öffne den Walkman und ziehe die Kassette heraus. Die fünfte Kassette. In der oberen Ecke steht eine blaue Neun. Meine Kassette. Ich bin die Nummer neun.
    Ich schiebe sie in den Walkman zurück, halte ihn mit beiden Händen und schließe ihn wie ein Buch.
    Tony legt den ersten Gang ein und lässt den Wagen über den Parkplatz rollen, der Straße entgegen.
    Ich schaue nicht nach unten, während mein Daumen nach dem Knopf tastet, der mich in die Geschichte zurückbringt.

    Romeo, oh Romeo! Warum bist du, Romeo!
    Meine Geschichte. Meine Kassette. So fängt sie an.
    Gute Frage, Julia. Und ich wünschte, ich wüsste die Antwort.
    »Clay, es ist okay!«, ruft Tony mir zu.
    Um ganz ehrlich zu sein, gab es nie einen bestimmten Punkt, an dem ich zu mir sagte: Clay Jensen ist der einzig Richtige.
    Meinen Namen aus ihrem Mund zu hören, reicht aus, um meinem Herzen einen Stich zu geben und meinen Kopfschmerz zu verdoppeln.
    Ich bin nicht einmal sicher, wie viel von dem wahren Clay Jensen ich im Lauf der Jahre kennengelernt habe. Denn das meiste über ihn habe ich aus zweiter Hand erfahren. Deshalb wollte ich ihn auch näher kennenlernen. Weil alles, was ich über ihn gehört habe - wirklich alles! -, positiv war.
    Das war so eine Sache, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekam, nachdem sie mir einmal aufgefallen war.
    Genauso erging es mir mit Kristen Rennert, die immerzu
Schwarz trägt. Schwarze Hose, schwarzes Hemd, schwarze Schuhe. Und wenn sie als einziges schwarzes Kleidungsstück eine schwarze Jacke anhat, dann zieht sie die den ganzen Tag über nicht aus. Wenn man sie dann das nächste Mal sieht, fällt es einem natürlich auf. Und man wird in Zukunft nie wieder in der Lage sein, nicht daran zu denken.
    Ein anderes Beispiel: Steve Oliver. Jeder seiner Wortbeiträge im Unterricht beginnt mit »okay«.
    »Mr Oliver?«
    »Okay, wenn Thomas Jefferson ein Sklavenhalter war...«
    »Mr Oliver?«
    »Okay, ich habe 76,1225 herausbekommen.«
    »Mr Oliver?«
    »Okay, könnte ich mal kurz auf die Toilette?«
    Ganz im Ernst. Er sagt es immer. Und jetzt wird es auch euch auffallen.
    Ist mir schon aufgefallen, Hannah. Aber jetzt erzähl bitte weiter.
    Ich schnappte alles auf, was über Clay geredet wurde. Vermutlich wartete ich darauf, irgendwelche pikanten oder anstößigen Dinge zu erfahren. Nicht weil ich mich an dem Klatsch und Tratsch beteiligen wollte. Ich konnte nur einfach nicht glauben, dass jemand so gar keine negativen Eigenschaften haben sollte.
    Ich werfe Tony einen Blick zu und verdrehe die Augen. Doch er schaut weiter starr auf die Straße.
    Wenn er tatsächlich so perfekt war, wie alle behaupteten ... wunderbar! Großartig! Doch für mich persönlich wurde es eine

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