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Tote Maedchen luegen nicht

Titel: Tote Maedchen luegen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Asher Knut Krueger
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ihn für die nächste Ausgabe seiner Zeitung in petto zu haben.
    Dasselbe hat er mit Fotos gemacht, die aus irgendwelchen Ordnern herausgerutscht waren.
    Oder mit dem Gekritzel, das ein gelangweilter Schüler im Geschichtsunterricht produziert hat.
    Viele werden sich bestimmt fragen, wie Ryan nur immer so viele interessante Gegenstände findet. Oder hat er sie am Ende gar nicht gefunden, sondern gestohlen? Nach einem unserer Lyrikkurse habe ich ihn das selbst gefragt. Und er hat mir versichert, dass ihm alles rein zufällig in die Hände fällt.
    Manchmal, sagte er, würden andere ihm auch gefundene Gegenstände in seinen Spind legen - Gegenstände, deren Echtheit
er natürlich nicht hundertprozentig garantieren könne. Bei diesen Gegenständen mache er immer die Namen und Telefonnummern unkenntlich. Und Fotos könnten in der Regel gar nicht peinlich genug sein.
    Wenn er genug sonderbares Material für fünf, sechs Seiten zusammenhat, lässt er immer fünfzig Kopien machen, heftet sie zusammen und verteilt sie irgendwo im Schulgebäude. Auf den Toiletten, in den Umkleideräumen, in den Gängen.
    »Nie zweimal am selben Ort«, hat er mir erzählt. Er findet es passend, wenn die Leute zufällig auf ein Heft stoßen, in dem zufällig gefundene Gegenstände abgebildet werden.
    Doch wisst ihr was? Mein Gedicht, das hat er mir gestohlen!
    Ich ziehe eine Serviette aus dem Halter und wische mit dem spröden Papier über meine Augen.
    Jede Woche saßen Ryan und ich nach dem Kurs auf den Stufen der Bibliothek und quatschten. Beim ersten Mal lachten wir nur über die selbst geschriebenen Gedichte, die von den übrigen Teilnehmern persönlich vorgetragen worden waren. Wir lachten darüber, wie schrecklich depressiv sie alle waren.
    »Und ich dachte, die Gedichte sollten uns fröhlich machen«, sagte er. Offenbar hatte er sich aus demselben Grund angemeldet wie ich.
    Ich schaue auf. Der Barkeeper knotet einen großen Müllsack zu. Feierabend.
    »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«, frage ich.
    Nach dem zweiten Mal saßen wir erneut auf den Stufen und lasen einander unsere Gedichte vor. Gedichte, die wir in verschiedenen Situationen unseres Lebens geschrieben hatten.
    Er blickt mir in die Augen, während meine Haut Bekanntschaft mit der rauen Serviette macht.

    Doch es waren nur fröhliche Gedichte. Gedichte über die Liebe zum Leben. Gedichte, die wir diesen depressiven Dilettanten da drinnen niemals vorlesen würden.
    Und wir erklärten sie uns gegenseitig, Zeile für Zeile, was echte Dichter niemals tun würden.
    Nach dem dritten Mal nahmen wir all unseren Mut zusammen und tauschten unsere Notizbücher, in denen sämtliche Gedichte standen, die wir geschrieben hatten.
    Er schiebt mir ein Glas Eiswasser entgegen. Auf der langen Theke stehen nur noch das Glas und der Serviettenhalter.
    Wow! Ich bin sicher, dass dich das genauso viel Überwindung gekostet hat wie mich, Ryan. Für die nächsten zwei Stunden saßen wir blätternd auf den Betonstufen, während die Sonne unterging.
    Weil er so eine Sauklaue hatte, brauchte ich länger, um seine Gedichte zu entziffern. Aber sie waren unglaublich gut. Viel tiefer als meine eigenen.
    Sie klangen wie richtige Lyrik. Professionelle Lyrik. Eines Tages werden die Schüler seine Gedichte interpretieren müssen.
    Meine Finger schließen sich um das kalte Glas.
    Natürlich hatte ich nur eine vage Vorstellung, was seine Gedichte bedeuten sollten. Doch die Emotionen, die sie hervorriefen, konnte ich absolut nachvollziehen. Die Atmosphäre war wunderschön. Ich fragte mich beschämt, was er gedacht haben mag, während er mein Notizbuch durchblätterte. Während ich seine Gedichte las, wurde mir auch klar, dass ich mir viel mehr Zeit für das Schreiben hätte nehmen sollen. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen, um bessere Wörter zu finden. Emotionalere Wörter.
    Doch eines meiner Gedichte hat ihn wirklich ergriffen. Er
wollte mehr darüber erfahren, zum Beispiel wann ich es geschrieben hätte.
    Aber das habe ich ihm nicht erzählt.
    Statt das Wasser zu trinken, beobachte ich, wie ein Tropfen am Glas hinabrinnt und auf meinen Finger trifft.
    Ich schrieb es an demselben Tag, an dem sich mehrere Schüler darüber aufregten, dass jemand die Frechheit besaß, hinsichtlich seines Selbstmords um Hilfe zu bitten. Wisst ihr noch, warum sie sich so aufgeregt haben? Weil niemand seinen Namen unter die Notiz gesetzt hatte.
    Wie taktlos.
    Die war anonym. Genau wie das Gedicht, das in der Schulzeitung

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