Tote Maedchen luegen nicht
viele Namen, Clay, weit über zwanzig.
Und dann... habe ich Verbindungen zwischen diesen Namen hergestellt.
Zuerst habe ich deinen Namen eingekreist, Justin, und dann eine Linie von dir zu Alex gezogen. Dann habe ich Alex’ Namen eingekreist und mit Jessica verbunden. Andere Namen, die mit einer eigenen Geschichte verbunden sind, habe ich für sich stehen lassen.
Meine Wut und Enttäuschung trieben mir Tränen in die Augen und wurden zu Hass, wenn ich eine neue Verbindung entdeckte.
Dann kam ich zu Clay, wegen dem ich auf die Party gegangen war. Ich kreiste seinen Namen ein und zog eine Linie ... zum allerersten Namen.
Justin.
Denn weißt du, Clay, kurz nachdem du die Tür hinter dir geschlossen hast ... hat diese Person sie wieder geöffnet.
Auf Justins Kassette, der ersten Kassette, hatte sie ja bereits
angekündigt, dass sein Name später noch einmal auftauchen würde. Und er war auch auf der Party. Mit Jessica auf der Couch.
Aber diese Person hat die Kassetten bereits bekommen. Also überspring ihn einfach, wenn du die Kassetten weiterschickst. Indirekt hat er dafür gesorgt, dass ein weiterer Name auf die Liste kam. Diese Person soll die Kassetten von dir erhalten.
Und Clay... es tut mir auch leid!
Meine Augen brennen. Nicht vom Salz meiner Tränen, sondern weil ich sie nicht mehr geschlossen habe, seit Hannah in Tränen ausbrach und ich den Raum verließ.
Jeder Nackenmuskel will sich bewegen, wartet darauf, dass ich endlich den Kopf zur Seite drehe und aus dem Fenster blicke. Aber ich bringe es nicht fertig, mich aus meiner Starre zu lösen und aus dem Bann ihrer Worte zu befreien.
Tony drosselt das Tempo und hält am Bordstein. »Alles okay?«
Wir befinden uns in einer Wohngegend, aber es ist nicht die Straße, in der die Party stattfand.
Ich schüttele den Kopf.
»Wirst du darüber hinwegkommen?«, fragt er.
Ich lehne mich zurück, lege den Kopf in den Nacken und schließe die Augen. »Sie fehlt mir.«
»Mir fehlt sie auch«, sagt er. Als ich die Augen öffne, lässt er den Kopf hängen. Weint er? Oder versucht er zu weinen?
»Weißt du«, sage ich, »ich habe sie bis heute nie richtig vermisst.«
Er lehnt sich in seinem Sitz zurück und schaut mich an.
»Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Nacht umgehen sollte.
Mit allem, was passiert ist. Ich habe sie immer gemocht, hatte jedoch nie die Gelegenheit, ihr das zu sagen.« Ich starre auf den Walkman. »Wir hatten nur eine einzige gemeinsame Nacht, und am Ende dieser Nacht hatte ich das Gefühl, sie noch weniger zu kennen als vorher. Doch jetzt weiß ich, wo ihre Gedanken damals waren. Jetzt weiß ich, was sie durchgemacht hat.«
Mir versagt die Stimme, und während sie das tut, bricht ein ganzer Schwall von Tränen hervor.
Tony reagiert nicht. Er betrachtet die leere Straße und ermöglicht es mir, dass ich in seinem Wagen sitze und Hannah vermisse. Dass ich sie mit jedem Atemzug heftig vermisse. Mit meinem kalten Herzen, das sich warm anfühlt, sowie mich die Gedanken an sie durchfluten.
Ich wische mir mit dem Jackenaufschlag über die Augen und huste lachend meine Tränen fort. »Danke, dass du dir das alles angehört hast«, sage ich. »Nächstes Mal darfst du mich ruhig unterbrechen.«
Tony betätigt den Blinker, sieht sich über die Schulter und lässt den Wagen wieder auf die Fahrbahn rollen. Doch er schaut mich nicht an.
»Gern geschehen.«
KASSETTE 5: SEITE B
Es kommt mir so vor, als wären wir immer wieder denselben Weg gefahren, seit wir das Rosie’s verlassen haben. Als wolle er die Zeit hinauszögern.
»Warst du auf der Party?«, frage ich.
Tony blickt aus dem Seitenfenster und wechselt die Fahrbahn. »Nein. Aber Clay... ich muss wissen, dass alles in Ordnung ist mit dir.«
Was soll ich dazu sagen? Ich denke daran, dass ich ihr nie die kalte Schulter gezeigt habe. Dass ich nichts getan habe, das ihren Schmerz vergrößert hätte. Doch ich ließ sie allein in dem Zimmer zurück. Dabei wäre ich der einzige Mensch gewesen, der sie noch hätte erreichen und vor sich selbst schützen können. Der sie von ihrem Weg hätte abbringen können.
Ich habe ihrem Willen gehorcht und bin gegangen. Aber ich hätte bleiben sollen.
»Niemand wirft mir etwas vor«, flüstere ich. Ich muss es laut hören. Ich muss die Worte in meinen Ohren und
nicht nur in meinem Kopf hören. »Niemand wirft mir etwas vor.«
»Niemand«, sagt Tony, der weiterhin nur auf die Straße blickt.
»Was ist mit dir?«, frage ich.
Wir kommen an eine
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