Tote Maedchen luegen nicht
Tränen und wischt sich mit der Hand über die Oberlippe. »Ich hätte etwas unternehmen müssen.«
Die Anzeichen waren überdeutlich... für alle, die sie hätten sehen wollen.
»Wollte sie etwas Bestimmtes haben?«
»Sie fragte, womit ich die Kassetten aufnehme, die ich im Auto höre.« Er legt seinen Kopf in den Nacken und atmet tief durch. »Also habe ich ihr vom alten Kassenrekorder meines Vaters erzählt.« Er hält inne. »Dann hat sie mich gefragt, ob ich auch ein Gerät hätte, mit dem man Stimmen aufnehmen kann.«
»Oh nein …«
»Irgendein Gerät, das man mit sich herumtragen könne. Ich habe sie nicht nach dem Grund gefragt, sondern nur gesagt, sie solle kurz warten.«
»Und du hast ihr so was gegeben?«
Seine Gesichtszüge verhärten sich. »Ich wusste nicht, was sie damit wollte, Clay.«
»Ich mach dir auch keine Vorwürfe. Und sie hat nicht gesagt, wozu sie es brauchte?«
»Glaubst du etwa, sie hätte es mir erzählt... selbst wenn ich gefragt hätte?«
Nein. Als sie Tony besuchte, stand ihre Entscheidung schon fest. Wenn sie gewollt hätte, dass sie jemand aufhält, sie jemand rettet, dann wäre ich für sie da gewesen. Auf der Party. Das wusste sie.
Ich schüttele den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«
»Als ich ein paar Tage später von der Schule nach Hause kam«, fährt Tony fort, »da lehnte ein Päckchen an unserer Haustür. Ich nahm es mit hinein und begann, die Kassetten zu hören. Aber das ergab keinen Sinn.«
»Hat sie dir irgendeine Nachricht hinterlassen?«
»Nein, nur die Kassetten. Aber das ergab keinen Sinn, weil Hannah am selben Tag noch in der Schule gewesen war. Wir hatten die dritte Stunde zusammen.«
»Was?«
»Als ich nach Hause kam, habe ich also gleich in die Kassetten reingehört. Ich habe immer wieder vorgespult, weil ich wissen wollte, ob ich irgendwo vorkomme. Aber das tat ich nicht. Da wusste ich, dass sie mir den zweiten Satz Kassetten geschickt hatte. Ich bin bei ihr vorbeigefahren und habe versucht, sie anzurufen, doch niemand hat abgehoben. Dann habe ich ihre Eltern im Geschäft angerufen. Ich habe mich erkundigt, ob Hannah bei ihnen wäre, und sie haben mich sofort gefragt, ob alles in Ordnung sei, weil ich bestimmt sehr erregt klang.«
»Was hast du geantwortet?«
»Ich habe ihnen gesagt, dass ich ein komisches Gefühl hätte und sie Hannah unbedingt finden müssten, aber ich konnte mich nicht überwinden, ihnen den wahren Grund zu nennen.« Tony schnappt hektisch nach Luft. »Und am nächsten Tag war sie nicht in der Schule.«
Ich hätte ihm gern gesagt, wie leid es mir tut, dass ich mir kaum vorstellen könne, wie schwer das für ihn gewesen sein muss. Aber dann denke in an den morgigen Tag und mache mir klar, dass ich noch früh genug erfahren werde, wie es ist, den Leuten zu begegnen, die auf den Kassetten vorkommen.
»Ich hab gesagt, mir ist schlecht, und bin früher nach Hause gegangen. Es hat mehrere Tage gedauert, bis ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. Als ich dann in die Schule kam, sah Justin total fertig aus. Alex auch. Und ich dachte, okay, sie haben auch echt nichts anderes verdient, also werde ich tun, worum sie mich gebeten hat, und dafür sorgen, dass sich alle anhören, was sie zu sagen hat.«
»Aber wie hast du uns im Auge behalten?«, frage ich. »Woher wusstest du, dass ich die Kassetten habe?«
»Bei dir war das kein Problem«, antwortet er. »Du hast ja schließlich meinen Walkman geklaut.«
Wir lachen beide. Ein schönes Gefühl. Eine Erleichterung. Wie das Lachen auf einer Beerdigung. Vielleicht unangebracht, aber sehr wohltuend.
»Die anderen waren da schon ein bisschen raffinierter«, sagt er. »Nach Unterrichtsschluss bin ich immer gleich zu meinem Auto gelaufen und so nah an die Rasenfläche vor der Schule herangefahren wie möglich. Dann habe ich auf denjenigen gewartet, der die Kassetten zuletzt gehört hat, seinen Namen gerufen und ihn - oder sie - zu mir herangewinkt.«
»Und dann hast du einfach gefragt, ob er oder sie die Kassetten hat?«
»Nein, das hätten doch alle geleugnet. Ich habe eine Kassette hochgehalten und gesagt, sie sollten einsteigen, weil ich ihnen unbedingt einen bestimmten Song vorspielen wollte.
Und je nachdem, wie sie reagiert haben, wusste ich sofort Bescheid.«
»Und dann hast du ihnen eine von Hannahs Kassetten vorgespielt?«
»Nein. Wenn sie nicht wegliefen, musste ich ja irgendwas tun, also habe ich ihnen einen Song vorgespielt. Irgendeinen. Sie haben sich
Weitere Kostenlose Bücher