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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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sprechen«, sagte Kito und legte dann die Hand auf die Sprechmuschel. »Was wollen du damit sagen?«
    »Ich weiß, wer die Seuche verschuldet hat, Madame. Und Sie waren es nicht.«
    » Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit? «
    »Stecken Sie das Ding weg. Die haben überhaupt nichts gegen Sie in der Hand.« Kito runzelte die Stirn; zögerte. »Ich kann es beweisen.« Die piepsige Stimme erstarb; Kito ließ das Transcom in den Falten ihres Mantels verschwinden.
    »Ich warten«, sagte sie.
    »Erst«, sagte Primavera, »müssen Sie dafür sorgen, dass ich wiederhergestellt werde. Die haben mir eine Ladung Staub verpasst.«
    »Nein«, sagte Kito. »Du vergessen, auch ich haben Schwierigkeiten. Mit Amerika! Also, du mir erzählen von Puppenplage. Was wissen du?«
    »Madame«, sagte Primavera und erhob sich; ihre Software-Cousine zog sich hinter Mr Bones Nummer eins bis fünf zurück. »Ich bin krank. Wirklich krank. Sie müssen mir helfen! Ich kann schon fast nicht mehr ...« Die Phalanx rückte näher zusammen.
    »Mehr Grund«, sagte Kito, »dass du tun, was ich sagen. Dann ‒ vielleicht . Wir werden sehen.«
    Primavera ließ sich auf das Bett sinken und legte den Kopf in meinen Schoß. »Ich bin so müde, Madame. So müde. Aber ich werde es versuchen. Ich muss Ihnen erzählen, was Iggy und ich alles durchgemacht haben. Wie es uns gelungen ist, aus London zu fliehen. Ich muss Ihnen von Titania erzählen ...«

7
Westwärts!
    Im Vorzimmer warten mehrere junge Mädchen auf ihre Hinrichtung. Sie sitzen auf einer geschwungenen Bank, die den Konturen der Wand folgt (fast spürt man, wie die Kälte durch ihre durchsichtigen Hemdchen dringt). Ihre Augen richten sich voller böser Vorahnungen auf den Mann, der durch die Tür tritt. Plötzlich wird es hell, und Pupillen schrumpfen auf die Größe von Stecknadelköpfen; Lippen zittern, Ketten rasseln. Der Mann nimmt einen Kugelschreiber von seinem Klemmbrett, hakt rasch etwas ab und hilft dem ersten Opfer des Abends auf die Füße ...
    »Es bringt nichts«, sagte Dad. Er war gerade auf dem Dach gewesen. »Ganz egal, wie ich die Schüssel ausrichte, wir bekommen immer nur BBC.«
    Das Mädchen wird einen von Rollstühlen und Tragen gesäumten Korridor entlanggeführt. Das weiße Licht ist unerträglich ...
    »Von A bis Z«, sagte Dad, »von Z bis A. So wird es immer weitergehen. Unaufhörlich.« Dad schaltete den Fernseher aus. Mir gerann vor Wut das Blut in den Adern; mein Herz verkrampfte sich. »Nichts für Kinderaugen.«
    »Es ist sowieso schon spät«, sagte Mom. »Wer möchte eine Ovomaltine?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich geh nach oben.«
    »Du hast noch kein Französisch geübt«, sagte Dad.
    »Ich habe Kopfweh.«
    Mom legte ihre Näharbeit beiseite. »Du solltest ihm wirklich beibringen, was es bedeutet. Ignatz findet das alles langweilig. Er kennt nur die Schimpfwörter, die er bei den anderen Jungen hört.« Sie verließ das Zimmer und ging in die Küche.
    »Eine halbe Stunde«, sagte Dad. »Bis ich richtig drin bin.« Er ließ sich in den Traumgestalter sinken. Es war ein einfaches Modell, das einem großen Wassertank glich und im Wohnzimmer viel zu viel Platz einnahm. Dad hatte fünf Jahre gebraucht, um es abzubezahlen. Die Software konnte er sich immer noch nicht leisten. (Seine Schwarzmarktgläubiger setzten ihn ständig unter Druck; wieder einmal durften wir beim Konsum anstehen.)
    Dad riegelte sich ein. »Bist du bereit?«, fragte er.
    Ich wählte die Pléiade -Ausgabe von À la Recherche du Temps Perdu aus Dads autodidaktischem Regal. Bevor er mir beigebracht hatte, wie man geschriebenes Französisch ausspricht (für Grammatik und Semantik haben wir keine Zeit, hatte er erklärt), hatte ich Charles Dickens’ gesammelte Werke durchgelesen. Aber Dad hatte gesagt, er sehne sich nach der Vergangenheit; die Welt von Dickens gleiche zu sehr der Unsrigen. Die Engländer würden wieder zu ihren Anfängen zurückkehren; John Bull knurrte mit atavistischer Wildheit.
    Was tat Dad denn nur? Er war so ruhig. Furchtbar ruhig. »Liegt der Katheter richtig«, fragte ich ihn. »Und das Autozerebroskop?«
    »Warte fünf Minuten, und dann fang an zu lesen.«
    Ich ließ den Blick über die unverständlichen Seiten schweifen. Das Buch hatte irgendetwas mit der Belle Époque zu tun (allerdings mit einer anderen als der, über die Dad sonst redete, wie ich später herausfand); es ging irgendwie darum, verlorene Zeit wiederzuerlangen. Meine Zeitmaschine , nannte Dad

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