Tote Mädchen
Gehirn knisterte vor Ungeduld.
Vorsichtig öffnete ich die Luke einen Spaltbreit. Wir waren in einer Küche, die derjenigen ähnelte, in der wir eingestiegen waren; allerdings erspähte ich hier einen über zwei Meter großen Neger, der nichts am Leib hatte als die schwere Elektromuskulatur einer primitiven KI, die sprechen und laufen konnte. Offenbar war er damit beschäftigt, eine Mahlzeit zu richten. Sein gewaltiges Glied glich einem dritten Bein, das über dem Knie amputiert worden war.
»Ein Androide«, sagte ich tonlos. »Ziemlich groß.« Ich fühlte Primaveras Grinsen in meinem Kopf.
»Richtet er das Abendessen?«
»Ja.«
»Dann ist das Mr. Bones. Der ist gefährlich. Mach die Tür auf und misch dich nicht ein.«
Die Luke quietschte; Mr. Bones blickte auf. Primavera ließ sich in die Küche fallen und hüpfte über den Boden.
»Gütiger Himmel«, rief Mr. Bones im Tonfall eines schwarzen Bänkelsängers ‒ offenbar war er ein Überbleibsel aus Nanas patriotischer SM-Revue Die Geburt einer Nation (vom Broadway abgekupfert und vor den Mächtigen des Landes uraufgeführt) ‒, »die weiße Lady, vor der uns Miss Kito gewarnt hat!« Primavera entwirrte sich, während sie von Wand, Decke und Arbeitsfläche abprallte, mit einem lauten Peitschenknall und landete (wobei sie auf ihren zehn Zentimeter hohen Absätzen etwas ins Schwanken geriet) auf dem Tisch, wo der riesige Androide das Fleisch gewürfelt hatte. Mr. Bones fuhr sich mit der Hand über den rasierten Kopf.
»Und ihr widerlicher Bruder auch noch«, sagte er, als ich aus dem Speiseauszug fiel. »Das wird Miss Kito aber bestimmt nicht gefallen!« Eine gewaltige Hand schoss vor; Primavera hüpfte beiseite.
»Bleib, wo du bist, Iggy!«, sagte sie, schlüpfte aus ihren Stöckelschuhen und warf sich auf ihren Gegner. Ihre Füße fanden auf seinen Hüftknochen Halt; ihre Klauen krallten sich in seinen Hals. Während sie an ihm hing wie an einer gefährlichen Klippe aus Obsidian, fletschte sie die Zähne und biss zu. Sie schlug ihm die Hauer in die Stirn und fing an, auf einem roten Brei aus Biochips herumzukauen.
Mr. Bones tanzte ungelenk durch die Küche; Rauch strömte ihm aus Ohren, Nase und Mund, bis er plötzlich erstarrte und zu Boden ging. »Wo«, ächzte er, »sind all die weißen Frauen ...?« Seine Hirnschale explodierte, und Funken stoben in alle Richtungen.
»Igitt, schmeckt der fäkal!« Primavera spuckte aus. Ich riss einen Feuerlöscher von der Wand und setzte Mr. Bones unter Wasser.
»Das hat bestimmt jemand gehört«, sagte ich.
»Nein. Kito ist in ihrem Schlafzimmer, und wenn sich hier noch andere Automaten herumtreiben, sind es Gynoiden, die nicht darauf programmiert sind, aufzupassen. Vielleicht haben sie uns gehört, aber dann ist es ihnen egal.«
»Pikadons?«
»Ich spüre keine. Im Korridor draußen stehen ein paar Sicherheitsleute ‒ Menschen allerdings. Aber ich weiß, wo die Kameras sind; und das Boudoir von Madame wird nicht überwacht.«
Primavera führte mich durch die toten Winkel des Apartments. Allem Anschein nach ein Kinderspiel ‒ wir duckten uns hinter Sofas, schlichen hinter Vorhängen entlang und krochen unter Tigerfellen und Perserteppichen hindurch. Nirgendwo brannte Licht; Primaveras Nachtsicht erlaubte es uns jedoch, Hindernissen ohne Schwierigkeiten auszuweichen.
Schließlich standen wir vor Kitos Schlafzimmer. Primavera legte eine Hand auf den Türknauf; drehte ihn. Finsternis. Primavera huschte an mir vorbei, sprang ins Nichts, ihre Katzenaugen grünes Kryptonit, das erdwärts raste, während sie einer Flugbahn folgte, die so berechnet war, dass sie genau auf ihrer Beute landete.
Das Licht ging an.
Primavera stieß einen Schrei aus. Sie kniete auf einem herzförmigen Bett, und in ihren Händen wand sich ein Tausendfüßler von der Größe einer Python. Sie schleuderte ihn durchs Zimmer. Das war Kuhn Yow, eines von Kitos genmanipulierten Haustierchen. Sonntags führte sie ihn im Lumpini Park an der Leine spazieren, und dann funkelte sein mit Edelsteinen besetzter Chitinpanzer in der Sonne.
Kito verbeugte sich mit einem höhnischen Grinsen. »Guten Abend, liebe Kinder.« Ebenbilder von Mr. Bones ‒ fünf an der Zahl ‒ hatten das Bett umzingelt. Jeder von ihnen hielt eine Partikelwaffe in der Hand. Kito straffte den Gürtel ihres Morgenrocks und bedeutete mir, mich zu Primavera zu gesellen. Klasse gemacht, dachte ich. Vielen Dank. Ich habe dir doch gesagt, dass ... Primavera brachte mich zum
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