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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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Mode. Eine Puppe lässt vielleicht alles mit sich machen, aber sie hat keinen freien Willen. Ein Freier hat keine Macht über sie. Aber einen Menschen ... einen Menschen kann man richtig demütigen.«
    »Geht es denn immer darum?«
    »Das weißt du selbst.«
    Wir näherten uns der Bar.
    Ein Pianist und ein Sänger hatten eine weichgespülte Version von »Oh doctor, doctor, I wish you wouldn’t do that« angestimmt.
    »So ein Scheißlied«, sagte ich.
    Primaveras Finger huschten über Resopal. »Hallo Pong-Schätzchen!«, rief sie dem Barkeeper zu. »Erinnerst du dich noch an mich?« Sie hob die Sonnenbrille an, und ihre Augen blitzten, als sie wie nach einer Sonnenfinsternis aus der Verdunklung hervortraten.
    »Der grüne Tod!« Der Barkeeper wich zurück, ließ ein Mekong Soda fallen und streckte verzweifelt die Hand nach dem Transcom aus; aber Primavera hatte bereits die Krallen in sein Hemd geschlagen und ihn zu sich herangezogen.
    »Ich will dir nicht wehtun, Pong«, sagte sie, »aber wenn ich nicht bekomme, was ich will, werde ich ... Na ja, weißt du noch, wie du mir das letzte Mal eine Bloody Mary gemixt hast?«
    Der Barkeeper nickte mit unterwürfigem Eifer. Ich schaute mich um; sonst stand niemand hinter der Bar (hierher kam niemand, um zu trinken); und die Sexgespräche zwischen Maschine und Mensch gingen unvermindert weiter.
    »Madame haben gesagt, du gehen heim, Miss Primavera. In Ferien.«
    Primavera spuckte ihren Kaugummi aus und klebte ihn an die Unterseite der Bar. »Pong, ich möchte, dass du uns in die Küche bringst, in den Lagerraum ‒ zum Speiseaufzug.«
    Primavera hielt unseren zwangsrekrutierten Komplizen fest und setzte mit einem Sprung über die Bar; ich folgte ihr etwas bescheidener.
    Durch einen Perlenvorhang traten wir in die Küche des Cafés ‒ eine von vielen im Hotel. Primavera hatte ihre Sonnenbrille inzwischen in ihrer Handtasche verstaut, und das Küchenpersonal ‒ ein Junge und ein Mädchen etwa in unserem Alter ‒ brachten umgehend einen Tisch zwischen sich und die grünäugige Verlobte des Todes. Der Junge griff nach einem Hackbeil.
    » Mai! «, kreischte seine Kollegin. » Phi see kee-oh! Phi pob! Phi Angritt! Dtook-gah-dtah Lilim! « Obwohl wir die Öffentlichkeit mieden und es vorzogen, uns wie Schatten unter Schatten zu bewegen, war die Legende vom grünen Tod ein Teil der Legende des Nana Plaza geworden. Der Junge ließ seine Waffe fallen.
    Ich fesselte unsere Gefangenen mit einem Knäuel Spinnenseide, den Primavera aus ihrer Tasche gezaubert hatte, und knebelte sie dann mit Geschirrtüchern.
    »Das da?«, fragte Primavera und deutete auf eine Aluminiumluke in der Wand.
    »Speiseaufzug«, sagte der Barkeeper.
    Primavera schlug ihn bewusstlos.
    »Rein mit dir, Iggy.« Sie öffnete die Luke. »Alle Wege führen ins Penthaus.«
    »Wir passen unmöglich beide ...«
    »Und ob.«
    »Das ist zu klein!«
    »Das geht, habe ich gesagt.« Primavera musterte mich verächtlich. »Ich bin vielleicht krank«, sagte sie, »aber Origami kann ich noch lange.« Sie warf ihre Tasche beiseite, legte die Fußgelenke aneinander, presste die Knie zusammen, knickte an der Taille vornüber und wand die Arme um die Waden. Ihr Kopf tauchte zwischen ihren schraubstockgleichen Oberschenkel auf. Sie verkrampfte sich und versengte das Auge mit anatomisch unmöglichen Bewegungen. Sekunden später rollte sie über den Boden, ein schwarzer Wasserball aus Plastik.
    Ich hob sie hoch ‒ fast hätte ich das Gleichgewicht verloren, so schwer war sie ‒ und stieg in den Speiseaufzug. »Drück auf den Knopf mit dem K «, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Du musst den Arm rausstrecken.« Mein Körper, der weniger dramatisch, dafür jedoch umso schmerzhafter gekrümmt war als Primaveras, brachte dieses Kunststück mit knackenden Gelenken zustande.
    Die Luke schloss sich; wir fuhren durch die Finsternis himmelwärts.
    Gesprächsfetzen; Fernseher und Magazine plärrten; ein Hintergrundrauschen aus Leidenschaft, Bitterkeit und Reue glitt an uns vorbei. Irgendwo an diesem Tunnel befand sich die verlassene Suite, die uns drei Jahre lang Zuflucht geboten hatte.
    »Ich kann sie spüren«, sagte Primavera; jetzt sprach sie nicht mehr, sondern ihre Gedanken erreichten mich von tief aus ihrer fleischlichen Einsiedelei. »Sie ist allein. Außer sie hat Besuch von Gynoiden oder Androiden. Bijouterie kann ich wahrnehmen; aber Maschinengehirne ...«
    Die Bremsen fauchten, und wir blieben stehen.
    »Sind wir da?« Ihr

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