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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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lassen Primavera gehen. Nach Hause. Nach England.«
    Kito war auf Primavera angewiesen. Primavera war die Primadonna der Killer von Bangkok. Eine Superschurkin. Hep Cat Shun ‒ tot. Terminal Wipes ‒ tot. Rip-Dot Delay ‒ tot. Ich war nur ihr Begleiter, nur Tarnung. Die Zwillinge blufften. Sie waren eifersüchtig. Je billiger die femmes , dachte ich bei mir, desto billiger die fatales .
    »Kleine englische Halbpuppe.«
    »Lilim.«
    »Selbstreproduzierende Cyborgblutsauger, nicht wahr?«
    »Totes Mädchen.«
    »Mischpoke.«
    »In Land der Hoffnung und der Herrlichkeit niemand mag Primavera, niemand mag Lilim.«
    »Wenn Madame zur Polizei ...«
    »Polizei Freunde von Madame!«
    »Wenn Primavera gehen nach Hause ...«
    Bang (oder Boom) drückte sich einen langen Fingernagel in den Unterleib.
    »Schlitz!«
    »Schrei, kleine Puppe.«
    »Schrei sexy-sexy!« Die Zwillinge fingen an zu lachen.
    »Aber darüber Sie wissen Bescheid, Mr. Ignatz.«
    »Nicht wahr?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hätte auch gerne gelacht, sie verspottet. Aber es ging nicht. Ich hatte Maulsperre. Die eitle, gemeine, treulose Kito: Würde sie ihre kleine Ninja wirklich nach Hause schicken? Dort wartete die Puppenklinik auf sie. Aber warum hatte sich Primavera geweigert, ihre Arbeit zu tun? Sie liebte mich nicht mehr. (Hatte sie mich jemals geliebt?) Sie liebte nur das Blut, das Morden. Ihre Metamorphose war abgeschlossen. Meine Kleine würde nicht lange trauern müssen: Kito würde ihr einen anderen Kavalier suchen. Jemanden, bei dem sie sich auf Partys einhaken konnte, der sie ins Hotel brachte, an die Bar begleitete. Eine Maske. Ein menschliches Gesicht.
    Eine der Zwillinge zauberte eine Zeitschrift aus ihrem Dekolleté.
    »Madame Kito.«
    »Ihr Leben, ihre Zeit.«
    »Sonderausgabe. Seite neunundsechzig. Botschaft für Mr. Ignatz. Schauen ...«
    Seite neunundsechzig, die Doppelseite in der Mitte, zeigte das Diorama eines Penthouses, das an einem Miasma von Kitsch erstickte: italienischer Marmor, Kunstdrucke von Dschungelkatzen, Springbrunnen, Möbel im Stil aufgewärmter Art Nouveau und Art Déco, Konzernkunst, Konzernspielzeug ‒ die Kulisse, so schien’s, für eine Seifenoper von außergewöhnlicher Geschmacklosigkeit. Die Zwillinge strichen mit den Händen über die Fotografie. Von ihrer biochemischen Signatur aktiviert, nahmen zwei Figuren Gestalt an und betraten die papierne Bühne. Sie bewegten sich. Bildautomateusen. Primavera und Madame K.
    Sie setzten sich auf eine Chaiselongue mit Tigerstreifen ‒ Schulmädchen und Matrone. Jemand, der nicht damit vertraut war, wie sich die Stammbäume von Hybriden im Osten und Westen voneinander unterschieden, hätte angenommen, dass die Frauen miteinander verwandt waren. Beide hatten sie grüne Augen, volle Lippen und in Brennöfen lasierte Haut, die auf die Qualitätsarbeit von Cartier schließen ließen. Doch während die Puppe, von der Kito abstammte, wie alle Puppen im Big Weird in Bangkok eine Imitation gewesen war, konnte Primavera ihre Vorfahren mütterlicherseits bis zu den sagenhaften Automaten der Belle Époque Europas zurückverfolgen. Kito fuhr ihrem Schützling über das wasserstoffblonde Haar wie die böse Stiefmutter in Tausenden von Märchen. Sie konnte Bijouterie nicht leiden, die das Cartier-Emblem mit größerer Berechtigung für sich beanspruchen konnte als sie. Ihr Snobismus stand ihrer Bösartigkeit in nichts nach.
    »Meine kleine englische Rose«, piepste Kito, ihre Stimme ‒ ganz im Gegensatz zu ihrem üblichen rauchigen Tenor ‒ dünn und verzerrt. »Aber was sein England doch für ein scheußliches Land.«
    »Sie will mich abschieben lassen, Iggy«, sagte Primavera. »In die Heimat. Sie meint es ernst. Du weißt, dass alle meine Papiere falsch sind. Wie deine auch. Sie muss nur ihren Freunden Bescheid sagen. Komm zurück, Iggy. Komm zurück in den Big Weird. Ich vermisse dich. Wir werden viel Spaß zusammen haben. Wie früher.«
    Primavera war eine melodramatische kleine Puppe. Sie trug ein bauchfreies T-Shirt, das sie zur Miss Nana ’71 erklärte (eine Lüge). Das dritte Auge ihres Nabels spielte Verstecken mit der Kamera, während sie sich zitternd bemühte, nicht in bittere Tränen auszubrechen.
    »Ab in die Leichenhalle, Mr. Ignatz. Aufgespießt. Tzepa , wie ihr Engländer sagen. Gut, dass meine Pikadons dich finden. Ein Junge wie du haben keine Ort, wohin er fliehen. England jetzt ganz schlimm. Englische Roboto verrücktspielen. Puppe beißen Mann, Mann ficken

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