Tote Männer Milch (German Edition)
Recht“, erwiderte Isolde vage. Vor ihrem geistigen Auge verwandelte ein Polizeibagger ihren Garten in ein Schlachtfeld.
„Kann ich sonst noch was für dich tun. Hast du vielleicht noch einen letzen Wunsch“, unterbrach die Nachbarin Isoldes Gedanken. „Soll ich deine Blumen gießen oder irgendetwas in deinem Garten erledigen? Mir ist aufgefallen, dass du da ein neues Beet errichtet hast. Soll da was Bestimmtes eingepflanzt werden? Du kannst mir ruhig vertrauen.“
„Nein!“, schrie Isolde entsetzt auf, fing sich jedoch gleich wieder, schon weil der Schmerz ihre Heftigkeit bremste.
„War ja nur eine Frage“, entgegnete die Müllerin, fast etwas beleidigt.
„Bist ja nun einige Zeit weg, wer weiß wie lange, und wenn du wieder auf freien Fuß bist, dann kannst du dich vielleicht nicht mehr so bewegen. Was haben denn die Ärzte gesagt?“
„Es ist nicht so schlimm wie es aussieht.“
„Sieht aber aus, als wäre es sehr schlimm“, ließ Frau Müller nicht locker.
„Ich habe eine Rippenfraktur, zwei Rippen sind gebrochen, meine Kniescheibe ist auch gebrochen, mein Oberschenkel auch, mein Halswirbel ist nur angeknackst, mein Arm war ausgekugelt…“
„Das ist ja schon allerhand“, stellte die Müllerin zufrieden fest.
„Nun ja, das mit meiner Kniescheibe macht mir am meisten Sorgen, könnte sein, dass ich dann…“
„Hinke“, ergänzte die Müllerin eifrig.
„Wir werden sehen“, gab sich Isolde reserviert. „Das Leben ist voller Überraschungen.“
Die Müller nickte einsichtig.
„Du kannst mir einen Gefallen tun“, fuhr Isolde fort. „Dort in meinem Kleid ist ein Coupon für ein Preisausschreiben. Kannst du den bitte in den Postkasten werfen? Ach, und noch was…“
„Ja?“
Isolde betrachtete abschätzend ihre Nachbarin und überlegte, wie sie möglichst unauffällig auf den verhängnisvollen Brief zu sprechen kommen könnte. Aber nach Verlauf des Gesprächs, hatte sie nun doch Angst schlafende Hunde zu wecken.
„Nelken, äh, du könntest Nelken in das Beet pflanzen.“
„Nelken“, wiederholte Frau Müller. „Ich glaube, da habe ich sogar noch ein Sortiment zu Hause herumliegen. Bin ja nicht so der Nelkentyp – aber eine robuste Pflanze, einfach nicht tot zu kriegen.“
„Sonst noch was?“
„Ja, den Hund musst du versorgen, ja, und die Post – wäre schön, wenn du sie mir regelmäßig vorbeibringen würdest, und, ach ja, Bücher, bring mir Bücher mit!“
„Ja, gute Idee“, kommentierte die Müller altklug. „Ich habe da jetzt ein sehr interessantes Buch gelesen. Stimmen aus dem Jenseits – das solltest du unbedingt lesen.“
Die Müllerin tätschelte Isoldes Hand.
„Kopf hoch, meine Liebe. Ach so, entschuldige, das geht ja gar nicht“, verbesserte sie sich und blickte betreten auf Isoldes Halskrause. „Ach, was ich dich noch fragen wollte. Wo ist eigentlich dein Zopf abgeblieben?“
„Abgeschnitten“, murmelte Isolde zerstreut.
„Nun“, gab sich die Müller geheimnisvoll, „wenn Frauen ihre Haare abschneiden, hat das immer etwas zu bedeuten. Dann haben sie in der Regel einen Mann zu beklagen.“
Isolde wich dem forschenden Blick ihrer Nachbarin aus.
„Man wird ihn vermissen“, stellte Frau Müller bedauernd fest
und wandte sich zur Tür.
„Wen … wen wird man vermissen?“, quäkte Isolde ihr nach.
„Na, deinen Zopf natürlich!“
14. K apitel
„Der Maibach ist spurlos verschwunden!“ Kriminalkommissarin Wagenknecht legte ihrem Kollegen die Vermisstenmeldung auf den Schreibtisch. „Er ist seit zwei Wochen nicht mehr im Krankenhaus erschienen – es liegt weder eine Beurlaubung noch eine Krankmeldung vor.“
„Vielleicht ist er untergetaucht. Nach allem was vorgefallen ist … irgendwie verständlich, außerdem ist er volljährig, er kann tun und lassen, was er will“, kommentierte Kriminaloberkommissar Frisch achselzuckend.
„Ist aber, nach dem, was ich ermittelt habe, völlig untypisch für ihn. Abgesehen von seiner Position als Cheforthopäde, gilt er in seinem Kollegenkreis als äußerst zuverlässig und verantwortungsbewusst. Für seine Assistenzärzte ist es völlig unbegreiflich, dass er seine Patienten im Ungewissen und sich um verbindlich zugesagte Operationen nicht kümmert.“
„Er hat in kürzester Zeit seine Frau und seine Stieftochter verloren. Der Mann ist am Ende seiner Kraft“, wandte Frisch ein, verschränkte seine Arme im Nacken und stierte die Zimmerdecke an. „Niemand weiß, was in uns
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