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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Malina
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lange stehen bis sich die schwarzen Sprengel vor ihren Augen auflösten. Ich bin sternhagelvoll, stellte sie fest, als sie die kleine Treppe hinabstieg, die zum Hinterausgang in ihren Garten führte, dabei eine Stufe verfehlte und stolpernd gegen die Tür polterte. Ungelenk schloss sie die Tür auf, ging in den Garten, blieb stehen, blickte sich desorientiert um. Es war wieder früh am Morgen. Die Vögel plärrten sich die Seele aus dem Leib. Die Morgensonne glotze sie strahlend an. Isolde verzog gequält das Gesicht und kniff geblendet die Augen zusammen. Wieso zwitschern die Vögel? Wieso scheint die Sonne? dachte sie – sie vermisste das unheilvolle Krächzen der Krähen.
    Taumelnd lief sie auf die Buche zu. Entgegen ihrer Gewohnheit hielt sie den Brief diesmal in der Hand. Obwohl sie genau wusste, dass das ihren Aufstieg behindern würde, tat sie es gleichwohl. Steifbeinig kletterte sie Sprosse für Sprosse hinauf. Als das Vogelhäuschen in Sichtweite war, verfehlte sie eine Sprosse. Rutschte ab, schlug mit dem Kinn auf einer weiteren auf, versuchte sich an etwas Greifbarem zu klammern. Sie griff ins Leere, verlor die Balance, verlagerte ihr Gewicht. Die Leiter kippte ächzend nach hinten. Stand nun kerzengerade. Haltlos, bereit zum freien Fall. Isolde hatte keine Möglichkeit mehr, richtungweisend einzugreifen. Sie schloss die Augen. Feilte gedanklich an einem Stoßgebet, spürte wie die Leiter ihre Richtung fand – rückwärts, was sonst, dachte sie noch, bevor sie aus Leibeskräften zu schreien begann.
     
    „Alles gut“, war das erste, was Isolde nach ihrem Sturz zu hören bekam, obwohl alles nach einer Katastrophe aussah und sich auch so anfühlte.
    Typisch Müllerin, dachte Isolde und bedachte ihre Nachbarin, die wie das Leiden Christi neben ihr kniete, mit einem knappen Nicken.
    „Nicht bewegen!“, klang da schon weitaus vernünftiger. Isoldes Augen folgten den Worten des Rettungsarztes. „Wir werden Sie jetzt vorsichtig in eine Art Luftbett schweißen, damit Sie keine Schmerzen beim Fahren verspüren“, erklärte der Arzt.
    Luftbett klingt gut, dachte Isolde. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm.
    „Glauben Sie, Herr Doktor, dass sie sich den Halswirbel gebrochen hat?“, erkundigte sich Frau Müller mit tränenerstickter Stimme, „und in Zukunft im Rollstuhl…“
    Der Arzt schwieg. Isolde spürte den Druck, mit dem sich die aufgeblasenen Polster um ihre Knochen schmiegten.
    „Mein Brief“, krächzte sie. Sie war nicht mehr imstande mit Hilfe ihrer Hand an die vermutete Stelle zu deuten.
    „Ist in guten Händen“, beruhigte Frau Müller und klopfte bedeutsam auf die Tasche ihrer Kittelschürze. „Mach dir bloß keine Sorgen Isolde, du kannst dich auf mich verlassen. Werde dir gleich ein paar Sachen fürs Krankenhaus zusammenpacken.“
    Isolde blieb stumm. Ihr schwante Böses.
     
    Fünf Minuten später war Isolde trotz behutsamer Blaulicht-Fahrt schon im Kreiskrankenhaus eingeliefert.
    So wie die Dinge stehen, werde ich mit Blaulicht von dort auch wieder abgeholt werden, dachte sie.
    Nun lag sie in einem Spitalbett und starrte auf ihr eingegipstes Bein, das an einer Art Flaschenzug von einem Gestänge über dem Bett hing.
    „Ich hänge fest“, wimmerte sie.
    Sie war übermüdet, fror, hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Die Angst klapperte wie ein Schreckgespenst in Holzpantinen durch Zimmer. Das Gespenst erzählte ihr mit viel Liebe zum Detail Gruselgeschichten aus dem wahren Leben. Ahmte die Stimmen der Toten nach. Kroch zu ihr ins Bett. Nahm sie in den Arm, bis Isolde der kalte Schweiß von der Stirn rann, und klatschte Beifall, wenn Isolde schreiend aus ihrem Sekundenschlaf hoch schreckte.
    „Ich bin todmüde“, jammerte Isolde um Erbarmen flehend.
    Tod wäre besser, hauchte ihr die Angst eiskalt ins Ohr.
     
    Zur gleichen Zeit stand Frau Müller in Isoldes Schlafzimmer und inspizierte mit regem Interesse den Kleiderschrank. Immer wieder musste sie den kleinen Hund zur Ordnung rufen, der wie ein Wirbelwind um sie herumfegte. Damit sie bloß nichts vergaß, hatte sie sich eine Liste angefertigt, auf der alles notiert war, was man für einen Krankenhausaufenthalt benötigte. Das Wichtigste hatte sie schon sorgfältig in einer Reisetasche verstaut. Fehlte nur noch die Unterwäsche. Sie zog das entsprechende Fach auf. Aber ihr Interesse galt plötzlich nicht mehr dem gebügelten Baumwollsortiment, das fein säuberlich geordnet in der Schublade lag, sondern der silbernen

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