Tote Pracht
für
eine kleine Firma auf den Avenues.«
»Einen Moment!« Sie schnippte mit den
Fingern. »War er nicht das letzte Opfer dieses Heckenschützen?«
»Richtig.«
»Komisch. Warum sollte er mir Geld vermachen?«
»Ich weiß es nicht. Er machte ein handschriftliches
Testament ohne Hilfe eines Anwalts — und ohne jegliche Erklärung.«
»Das verstehe ich nicht. Wäre es
geschmacklos zu fragen, wieviel er mir hinterlassen hat?«
»So etwa eine Viertelmillion Dollar.«
Sogar noch mehr, erinnerte ich mich, wenn Grant wirklich auf seinen Anteil
verzichten will, nachdem das Erbe zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte.
Goodhues Hand hielt mitten in der
Bewegung in der Nähe ihres Haaransatzes inne.
»Du lieber Himmel. Warum um alles in
der Welt...?«
»Ich hatte gehofft, Sie wüßten die
Antwort.«
Sie schüttelte den Kopf, setzte die
Make-up-Flasche ab und öffnete eine Dose mit Rouge. Nachdem sie das Regal nach
einem Pinsel abgesucht hatte, legte sie Farbe auf ihre Backenknochen. »Soviel
ich weiß, bin ich dem Mann nie begegnet. Erzählen Sie mir mehr von ihm.«
»Bevor ich damit anfange, habe ich noch
ein paar Fragen. Sagt Ihnen der Name Thomas Y. Grant etwas?«
»Grant... Tom Grant, der Rechtsanwalt?«
»Richtig.«
»Ich habe auch ihn für die Serie über
alternative juristische Dienstleistungsbetriebe interviewt. Nicht daß ich seine
spezielle Alternative besonders gut finde, aber sie paßte zum Thema. Zu meiner
eigenen Überraschung fand ich ihn sogar recht charmant.«
Ich war versucht zu fragen, was sie von
Grants Fetischen hielt, aber ich fragte nur: »Wie steht es mit dem Namen Libby
Heikkinen?«
»Nein.«
»David Arlen Taylor?«
»Auch nicht. Wer sind diese
Leute?«
»Die anderen Begünstigten. Hilderly
teilte sein Vermögen in vier Teile.«
»Dieser Hilderly muß ein wohlhabender
Mann gewesen sein.«
»Nein, nicht im üblichen Sinn. Er erbte
etwas Geld, legte es gut an und hatte keine kostspieligen Gewohnheiten.«
»Und er lebte hier in der Stadt?
Natürlich; ich kann mich ja erinnern, daß er auf dem Geary, in der Nähe seiner
Wohnung, erschossen wurde. Stammt er von hier?«
»Ich weiß nicht sehr viel über seine
Vergangenheit, nur daß er während der Vietnam-Zeit zu den Radikalen gehörte, er
war einer der Gründer der Bewegung für Redefreiheit in Berkeley.«
»Berkeley!« Sie wirbelte auf ihrem
Stuhl herum, der Puderpinsel fiel ihr aus den Fingern.
»Ist das von Bedeutung?«
Sie überhörte die Frage. »Was können
Sie mir noch von ihm erzählen?«
»Er flog aus dem College, arbeitete
eine Weile für eine Zeitung, bis sie ihn dann als Korrespondenten nach Vietnam
schickten. Er blieb eine Weile dort, hatte mit einer Vietnamesin zusammen einen
Sohn. Sie und das Kind kamen in einem Geschützfeuer ums Leben, und Hilderly
kehrte in die Staaten zurück. Heiratete, bekam zwei weitere Söhne, wurde
geschieden und führte bis zu seiner Ermordung ein unauffälliges Leben in Inner
Richmond.«
Goodhue saß nun sehr still, ihre Hände
hatte sie im Schoß verschränkt, der Schminkpinsel lag vergessen zu ihren Füßen.
»Denken Sie nur«, sagte sie nach einer kurzen Weile. »Ich habe über seine Ermordung
berichtet.« In ihrer Stimme lag ein eigenartiges Zittern, eine Gefühlsäußerung,
die ich nicht zu deuten wußte.
»Sind Sie sicher, daß Sie ihn nicht
kennen?«
»Ganz sicher. ›Free Speech Movement‹ —
das war etwa zu der Zeit, als ich auf die Welt kam.«
»Sie begann im Herbst 1964.«
Goodhues suchender Blick war nach innen
gerichtet. Kurz darauf sagte sie mit sanfter Stimme: »Ich bin 1965 geboren
worden.«
Ich wartete, als sie aber keine
weiteren Erklärungen gab, sagte ich: »Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen
nicht folgen.«
»Was ich sagen will, ist... dieser
Perry Hilderly könnte mein Vater gewesen sein.«
5
Das kam so überraschend, daß ich einen
Moment brauchte, um eine Antwort zu formulieren. »Wie kommen Sie auf diese
Idee?« fragte ich schließlich.
»Weil meine Mutter zu dieser Zeit in
Berkeley war.«
»Zusammen mit Tausenden von anderen
Leuten.«
»Aber nicht...« Sie brach ab und
schaute auf die Uhr. »Verdammt! Das ist eine lange Geschichte, und ich habe
nicht viel Zeit.«
»Warum fangen Sie nicht jetzt mit Ihrer
Erzählung an. Ich kann auf den Rest so lange wie nötig warten.«
»In Ordnung.« Sie wandte sich wieder
dem Spiegel zu und zupfte nervös an ihrem Haar herum. »Wie ich schon sagte,
wurde ich im Januar 1965 geboren.
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