Tote Pracht
Wort
die Kabine und stolzierte zu den Schreibtischen auf der anderen Seite des
Raumes.
»Das ist mir vielleicht ein
Republikaner«, sagte Goodhue. Ich warf einen Blick in die Kabine, stellte fest,
daß sie in einem Skript blätterte, und trat zurück.
Ein paar Minuten später näherte sich
eine dünne, blondhaarige Frau mit vorsichtigen Schritten und bangem
Gesichtsausdruck. Sie blieb einen halben Meter vor der Kabine stehen, als ob
sie Angst hätte weiterzugehen. »Jess? Die Reihenfolge dieser Nachrichten — sollen
wir den Gnadentod wirklich vor die Drogenrazzia und den neuen Umweltplan
stellen?«
»Ja. An der ursprünglichen Stelle könnt
ihr ihn vergessen.«
»Aber...«
»Das ist eine wichtige Sache, Linda. Da
geht es um... ach, stell die Reihenfolge einfach um.«
Linda blieb, wo sie war, schweigend und
unentschlossen.
Goodhue fügte hinzu: »Und wenn du
Roberta siehst, sag ihr, daß die Einführung in die Drogenrazzia mehr Schwung
braucht. Ich möchte die neue Fassung vor halb fünf sehen.«
Linda drehte sich schnell um und ging
weg.
Goodhue sagte leise zu sich selbst: »Du
bist an Tagen wie heute zu schroff zu ihnen. Du mußt dich zusammenreißen.«
Ich trat in den Eingang zur Kabine und
sah, daß sie sich etwas nach hinten gelehnt hatte und ihre Arme streckte. »Miss
Goodhue?«
Sie blickte auf und schnippte dann mit
den Fingern. »Sie sind die Frau von der Anwaltskanzlei... wie war noch der
Name?«
»All Souls.«
»Richtig. Ich kenne Ihre Firma. Als ich
noch im Außendienst tätig war, schrieb ich eine Serie über alternative
juristische Dienstleistungsbetriebe. Ihr Name ist McCone, stimmt’s?«
»Sharon McCone.«
Sie stand auf, trat auf mich zu und
drückte mir fest die Hand. »Nennen Sie mich Jess, wie alle. Lassen Sie uns nach
oben gehen! Ich muß mich für den Kurzspot um drei Uhr fünfundfünfzig
schminken.«
»Den...?«
Sie ging durch den hektischen
Nachrichtenraum in Richtung Flur. »Ein einminütiger Spot. Haben Sie
wahrscheinlich schon hundertemal gesehen: ›In den Sechs-Uhr-Nachrichten sehen
Sie.‹«
»Natürlich.« Ich folgte ihr den Flur
hinunter. Goodhue war nicht sehr groß — etwa 1,60 verglichen mit meinen 1,67 — ,
aber ihr schneller Gang machte ihre kürzeren Schritte wett. Während sie auf
ihren hochhackigen Schuhen in ihrem türkisfarbenem Kleid den Gang
hinunterklapperte, redete sie wie ein Maschinengewehr.
»Es tut mir leid, daß Sie warten
mußten, aber es geht hier ziemlich hektisch zu, und ab jetzt wird es dann
wirklich haarig. Ich muß mich schminken, den Spot machen, die Skripte nochmals
mit meinem Partner durchgehen. Sie sind aber zur rechten Zeit gekommen;
niemand, absolut niemand wagt es, mich in meiner Garderobe zu stören.«
Am Ende des Flurs war eine
Wendeltreppe. Goodhue führte mich hinauf und dann noch mal einen langen Flur
hinunter, vorbei an anderen Räumen, in denen ein geschäftiges Treiben
herrschte. »Sport und Wetter«, sagte sie und fuchtelte mit der Hand. »Sie sind
ziemlich unabhängig von der Nachrichtenredaktion.« Fast am Ende des Flures
angelangt, öffnete sie eine Tür und winkte mich hinein. »Und dies«, sagte sie,
»ist der Ort, wo ich ungestört bin.«
Es war kein richtiges Ankleidezimmer:
ein langes Regal unter einem von Glühbirnen umgebenen Spiegel; zwei in
Auflösung begriffene Rohrstühle; ein Ständer, an dem Kleider zum Wechseln
hingen; daneben ein kleines Badezimmer. Das Regal war mit Kosmetikartikeln
übersät. Dazwischen stand eine Vase mit gelben Rosen, die auch schon bessere
Zeiten gesehen hatten.
Goodhue schloß die Tür und grinste mich
schief an. »Es ist nicht gerade der Broadway, aber es gehört mir.«
»Am Broadway ist es sicher auch nicht
so toll.«
»Wahrscheinlich nicht. Für den wahren
Glitzerkram muß man schon nach Hollywood gehen.« Beim Anblick der braunen Rosen
runzelte sie die Stirn. Sie holte sie aus der Vase und stopfte sie in einen
Abfalleimer unter dem Regal. »Setzen Sie sich, während ich mich schminke«,
sagte sie und plumpste auf einen Stuhl vor dem Spiegel. »Was habe ich da von
einer Erbschaft gehört?«
Ich setzte mich in einen der Rohrstühle
— vorerst ganz vorsichtig. »Einer unserer Mandanten hat Sie in seinem Testament
bedacht. Perry Hilderly. Kennen Sie ihn?«
Sie dachte nach, während sie eine
Flasche mit Grundierung in die Hand nahm und das Make-up mit geschickten
Strichen auftrug. »Der Name kommt mir bekannt vor. Wer ist... war er?«
»Ein Steuerbuchhalter. Er arbeitete
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