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Tote Wasser (German Edition)

Tote Wasser (German Edition)

Titel: Tote Wasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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ihn eigentlich erkannt?», fragte Sandy. «Den Toten, meine ich.»
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille, und er begriff, dass sie über seine Frage nachdachte. Er fand, dass die Menschen immer anders aussahen, wenn sie tot waren, und wenn man einen Toten nicht gut kannte, war es nicht immer einfach, eine Leiche zu identifizieren. Doch als die Antwort dann kam, war sie unmissverständlich. «Nein, Sergeant. Und das ist auch ein Grund, weshalb ich Sie vor Ort brauche. Wenn er hier von den Shetlands kommt, werden Sie uns wahrscheinlich sagen können, wer er ist.»
    Wieder schwieg sie. Im Hintergrund konnte Sandy das Meer hören. Die Staatsanwältin musste noch am Jachthafen sein und vom Handy aus telefonieren. Sie hatte Glück, dass sie dort überhaupt Empfang hatte. Was Handys anging, war jener Teil der Hauptinsel ein schwarzes Loch. «Ich schicke Ihnen ein paar Leute rüber, die den Hafen absperren», sagte er, «und setze mich mit Inverness in Verbindung. Ich komme dann nach, so schnell ich kann.»
    «Gut.»
    Er wusste, dass sie das Gespräch nun beenden wollte, und brüllte beinahe, damit sie noch nicht auflegte: «Miss Laing!»
    «Ja, Sergeant.»
    «Soll ich Jimmy Bescheid geben? Inspector Perez?» Diese Frage beschäftigte ihn, seit ihm aufgegangen war, was ihr Anruf bedeutete. Jimmy Perez war nicht mehr wie früher, seit seine Verlobte ums Leben gekommen war. Er neigte zu Melancholie und Wutausbrüchen, die aus dem Nichts kamen. Seine Kollegen hatten Mitgefühl und wollten ihm Zeit lassen. Er habe die Arbeit zu früh wiederaufgenommen, sagten sie. Er leide unter Depressionen. Doch nach sechs Monaten neigte ihre Geduld sich dem Ende zu. Sandy hatte das Gemurmel in der Kantine gehört: Vielleicht sollte Perez kündigen und sich der Aufgabe widmen, sich um Duncan Hunters Tochter zu kümmern. Wenn man bei der Polizei auf den Shetlands befördert werden wollte, musste man schon auf den Tod des Vorgängers warten. Vielleicht sollte Perez das einzig Anständige tun: Nach vorn blicken und jemand anderem die Chance geben, seinen Job vernünftig zu machen.
    Zunächst antwortete Rhona Laing nicht. Sandy fragte sich schon, ob ihr Handy den Empfang verloren hatte. Dann sprach sie. «Das weiß ich nicht, Sandy. Diese Entscheidung müssen Sie selbst treffen. Sie kennen Jimmy besser als ich.» Und dabei klang sie beinahe schon menschlich.
     
    Er schob die Entscheidung noch auf, wollte erst mit Inverness telefonieren. Dort war jetzt ein Neuer zuständig, ein Engländer, und Sandy musste sich höllisch konzentrieren, um den Akzent zu verstehen. «Ich schicke Ihnen einen Inspector und ein Team von der Mordkommission», sagte der Mann. «Sie wissen ja, dass Roy Taylor nach Liverpool zurückgegangen ist?»
    «Ich habe davon gehört.» Sandy dachte, dass sich im Moment alles veränderte. Jimmy Perez war ein völlig anderer geworden, und Roy Taylor war in den Süden gezogen. Sandy hatte Veränderungen noch nie gemocht. Er war auf der kleinen Insel Whalsay aufgewachsen, und für ihn war es schon ein Riesenabenteuer gewesen, für die Polizeiausbildung aufs Festland zu gehen.
    «Taylors Stelle hat jetzt eine Frau bekommen.» Der Polizeichef kam aus London, und wenn er sprach, musste Sandy an Gangsterfilme denken. «Sie ist auf North Uist aufgewachsen. Also fast schon eine von Ihnen.»
    ‹Nein›, wollte Sandy sagen. ‹Die von den Uists sind ganz anders als wir. Sie sprechen Gälisch, und auf den Höfen dort gibt es nur Sand und Seetang. Die Landschaft ist ganz anders und die Kultur auch. Auf den Äußeren Hebriden kriegt man sonntags nicht mal einen Drink. Nur ein Engländer kann denken, dass jemand von dort auch nur das kleinste bisschen mit einem von den Shetlands gemein haben könnte.› Er selbst war einmal für eine Schulung der Highlands and Islands Police zwei Tage auf Benbecula gewesen und glaubte, alles über die Äußeren Hebriden zu wissen. Doch er sagte nichts. Ihm machte es nichts aus, eine Frau als Chef zu haben.
    «Sie heißt Reeves», fuhr der Polizeichef fort. «Willow Reeves. Können Sie sie und ihr Team vom Flughafen abholen?» Sandy fand, dass das nicht gerade nach einem Namen von den Äußeren Hebriden klang. Hießen die auf den Inseln im Westen nicht alle MacDonald? Der Polizeichef musste seine Frage wiederholen. «Können Sie sie abholen, wenn sie den Morgenflug nehmen? Ihnen eine Unterkunft besorgen und in alles einweisen? Ich nehme an, Jimmy Perez ist noch nicht wieder auf seinem Posten?»
    «Er

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