Totem des Boesen
erfahren, der sie in ihrem Zelt besucht hatte, um ihr die Nachricht von der Ermor-dung ihres Adlers zu überbringen .
Metseeh hatte es nicht glauben wollen. Und auch jetzt versperrte sich ihr Bewußtsein der Wahrheit.
Ich träume auch dies, dachte sie. Gleich werde ich erwachen und - Die Zelthaut raschelte. Geschmeidig trat eine Gestalt ein, kam ganz nah und legte ihre Hand auf Metseehs heißkalte Stirn.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht . Du mußt völlig am Ende sein .«
Ende, echote es in Metseeh. Sie war unfähig, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Und sie leistete auch keinen Widerstand, als die Felldecke angehoben wurde und der andere Körper zu ihr schlüpfte.
Haut an Haut.
Lahm kam lediglich der Wunsch über ihre Lippen: »Ich möchte allein sein. Bitte ...«
»Du wirst nie mehr allein sein. Ich habe dir etwas mitgebracht. Hier, nimm . und entspann dich.«
Metseeh spürte einen jähen, nicht sehr heftigen und kaum einen Lidschlag lang anhaltenden Schmerz in ihrem Nacken, wohin die Hand ihrer Schwester geglitten war. Der Gefiederflaum konnte Metseeh vor dem Holzsplitter, was in sie eindrang, nicht schützen. Nichts bot ihr Schutz. Sie war dem, was passierte, in ihrer Verwirrung völlig ausgeliefert.
Und die Besucherin machte es sich zunutze.
Metseehs Körper erschlaffte. Die Explosion ihrer Sinne erweiterte ihr Bewußtsein in maßloser Weise.
»Was geht ... mit mir vor ...?« stammelte sie.
Die fremde Hand spannte sich um ihr Genick. »Ich bin da. Ich werde immer für dich da sein . Zumindest solange wir beide gebraucht werden .«
»Gebraucht?«
Die Besucherin antwortete nicht, zog Metseeh nur noch enger an sich.
Deren Kälte tat gut.
Sie harmonierte mit der eigenen.
»Kannst du noch die Farben sehen?« fragte Chelana rauh. »Es ist das einzige, was ich vermisse .«
Von der Waldlichtung, auf der das Dorf der Arapaho vor ungezählten Wintern erbaut worden war, stieg fetter Rauch auf. Kumuluswolken zogen rasch am dämmrigen Blau des Himmels dahin. Leichter Wind trieb die Hitze des Feuers in die angespannten Gesichter der Vampire, die sich um es herum gruppiert hatten.
Das nahe beim Totempfahl aufgeschichtete Holz brannte lichterloh, aber noch lagen die Kadaver der drei Adler nicht in den Flammen, sondern dicht daneben.
Stumm starrten die Indianer zu ihrem Häuptling - und auch Wy-ando fühlte forschende Blicke auf sich. Er hatte noch keine Gelegenheit gefunden, sich mit seinen Brüdern und Schwestern ins Einvernehmen zu setzen, und jetzt stellte er fest, daß drei von ihnen fehlten.
Drei Adler, drei Arapaho, dachte er. Natürlich. Es muß sie wie ein Schock getroffen haben ...
Er nahm sich vor, sie aufzusuchen und ihnen seinen Beistand anzubieten. Selbst wenn Makootemane ihm die Namen nicht genannt hätte - spätestens jetzt hätte Wyando selbst begriffen, wessen Vögel dem Anschlag zum Opfer gefallen waren.
Und wieder fragte er sich, wer einer solchen Untat überhaupt fähig war.
Die Umstände, unter denen die toten Vögel gefunden worden waren, sprachen dafür, daß der Killer ein Vampir gewesen war. Aber Wyando sperrte sich gegen den Gedanken, eines seiner Geschwister hätte sich zu einer solchen Tat hinreißen lassen .
Gleichzeitig jedoch entsann er sich des eigenen verwerflichen Handelns in New Jericho, und sein Herz wurde eng. Klamme Abscheu vor sich selbst durchkroch sein Gedärm, in dem noch immer Margeaus Blut zirkulierte.
»Fangt an!«
Makootemanes brüchige Stimme veranlaßte Charkas, Nelos und Joacin, aus der Gruppe zu treten. Ein jeder von ihnen hob unter dem Wehklagen der eigenen, in den Bäumen hockenden Adler einen der Kadaver auf und schleuderte ihn nach einer Sekunde der Andacht in die brausenden Flammen.
Nun rannen Klagetöne auch über die Lippen der indianischen Vampire. Ohne diesen Ritus einstudiert zu haben, fanden ihre Stimmen die Melodie, die dieser Feuerbestattung gebührte.
Auch Wyando fiel in das Gebet ein. Sein Blick hing an den drei leblosen, entehrten Körpern, deren Gefieder zuerst von der übergroßen Hitze verzehrt wurden. Federn kräuselten sich, flammten auf und erloschen fast in derselben Sekunde wieder, während sich Gerüche ausbreiteten, die Augen und Nasen reizten.
All dies rief den Versammelten noch einmal drastisch ins Bewußtsein, welche Ungeheuerlichkeit vorgefallen war. In Hunderten von Jahren hatte es dergleichen nicht gegeben. Noch niemals. Und jetzt waren gleich drei der heiligen Vögel Opfer eines unbekannten Vollstreckers
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