Totem des Boesen
Leichnam auf dem Zimmer zurückgelassen und darauf verzichtet, den Beweis seines Versagens zu beseitigen. Es würde nicht lange dauern, bis Joseph »Dark Cloud« Reno, der Sheriff von New Jericho, bei Makootemane vorstellig werden und ihn über die Geschehnisse informieren würde.
Wyando wollte dem unbedingt zuvorzukommen.
»Ich muß dir etwas gestehen«, sagte er.
»Du machst mir Sorgen«, erwiderte Makootemane und schloß die Augen, als meinte er das, was nun kommen würde, nur blind ertragen zu können.
»Ich fürchte, du hast recht .« Wyando schilderte, was sich in New Jericho, nur einen Adlerflug von hier, zugetragen hatte.
Makootemane hörte mit steinernem Gesicht zu und versagte sich jeden Zwischenkommentar. Erst als Wyando alles, was es aus seiner Sicht dazu zu sagen gab, berichtet hatte, löste Makootemane die Fessel um seine Zunge:
»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Würde ich dich nicht besser kennen, müßte ich annehmen, du wolltest mich einer Mitschuld an dem unnötigen Mord bezichtigen . Aber mein Ruf nach dir kann nicht der Auslöser dafür gewesen sein, denn ich rief dich nicht nur einmal und gewiß auch nicht erst jetzt. Schon vor Wochen haben alle anderen, die unser Dorf verlassen sich in alle Winde verstreut hatten, auf den Ruf reagiert. Einige verschlug es sehr viel weiter als dich, und doch erreichte ich sie, wo immer sie sich befanden. Und wo immer sie waren, folgten sie dem Ruf ohne Zögern. Nur du ... du kamst nicht. Obwohl ich keinen Tag verstreichen ließ, dich wieder und wieder aufs neue zu ermahnen .«
»Ich empfing keinen einzigen Ruf - bis heute«, versicherte Wyando. »Ich würde dich nicht belügen, das weißt du!«
»Ja.« Makootemane wiegte bedächtig das Haupt, das in den letzten Wochen um Jahrzehnte gealtert war. Es ähnelte einem mit brauner Haut umspannten Totenschädel; einem knöchernen Verlies, aus dem es für den darin eingesperrten Geist kein Entkommen geben würde.
Makootemanes Kampf gegen die Vampirseuche, die ihn zum Mörder an den mit seinem Blut getauften Kindern hatte machen wollen, war für ihn selbst längst zum Desaster geworden. Vor diesen Ereignissen war er ein stolzer Krieger mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Dreißigjährigen gewesen. Nun ähnelte er einer ausgegrabenen Indianermumie, deren Zerfall von geschickten Schamanenhänden hinausgezögert, aber nicht verhindert worden war .
Der Gedanke versetzte Wyando Stiche ins Herz. Makootemane hatte ein solches Schicksal nicht verdient. Was immer er dort oben in der Unzugänglichkeit des Heiligen Bergs geleistet hatte - er hatte es für andere getan. Denn er selbst - daran hatte Nona keine Zweifel gelassen - wäre wie jedes Oberhaupt eines Stammes oder einer Sippe gegen den purpurnen Tod immun gewesen. Er hätte jedes seiner Kinder überlebt. Hätte zusehen können, wie sie, in Fässern voller Blut schwimmend, verdurstet wären .
Nona, die Werwölfin, hatte behauptet, den Schuldigen an diesem Fluch zu kennen. Aber in Bangor hatte Wyando erkennen müssen, daß sie seine Hilfe nur ausnutzen wollte, um Rache an einer seltsamen, einzigartigen Frau zu nehmen.
Lilith ...
Dieser Name brachte eine Saite in Wyando zum Klingen, von deren Existenz er bis vor kurzem nicht einmal geahnt hatte. Er konnte sie sich nicht als Todfeindin vorstellen, obwohl Nona nichts unversucht gelassen hatte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
»Sie tötet Vampire!« hatte die Werwölfin haßsprühend erklärt. »Nur sie kann den Lilienkelch mit dem Todeskeim geimpft und das Verderben in die Welt gesetzt haben ...!«
Nona, das hatte Wyando aus ihrem eigenen Mund erfahren, machte die Halbvampirin Lilith dafür verantwortlich, daß sie nie wieder ihrem Geliebten Landru gegenübertreten durfte. Denn auch sie hatte vor einem halben Jahrtausend das Geschenk der Unsterblichkeit aus der Hand des Hüters erhalten, der mit seinem magischen Blut eine Abart des Kelchrituals praktiziert hatte, ohne sie zur Vampirin zu machen. Und nun fürchtete sie, der tödliche Funke würde auch auf sie überspringen, wenn sie ihm je wieder zu nahe käme ...
... doch gleichzeitig verzehrte sie sich nach genau dieser Nähe!
Makootemanes Stimme riß ihn aus seinen Gedanken: »Nach dem Tod der Adler halte es für möglich, daß etwas deine Rückkehr verhindern wollte.«
»Etwas?«
Makootemane ging nicht auf die Zwischenfrage ein. »Vielleicht half ihm erst das Echo, das mein heutiger Ruf in dir verursachte, dich ausfindig zu machen - und
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