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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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nun keine mehr, was sie mit grimmiger Befriedigung erfüllte. Kommt nur mit euren Waffen, wenn ich erst draußen bin. Stecht eure Piken in mich und haut auf meinen Hals ein. Ihr werdet nun die Hexe wirklich erleben, die ihr euch bisher nur in euren schwärzesten Gedanken ausgemalt habt.
    Das Holz der Kerkertür begann bald zu glimmen. Erste Flämmchen leckten darüber, und schon stand sie lichterloh in Flammen. Maria wusste, das ging nicht so schnell – nicht in der Zeitrechnung ihrer alten Existenz, aber so, wie sie jetzt war, hatte Zeit keine Bedeutung mehr.
    Draußen wurden aus aufgeregtem Reden und Rufen laute Schreie. Es war klar, sie mussten erst hoch zum Brunnen am Marktplatz rennen, sich Eimer besorgen, und damit durften sie rückwärts nicht laufen, sondern hatten zu gehen, um nicht alles zu verschwappen.
    Das Holz war nun mürbe genug. Tritte und Schläge ließen es bersten. Sie stieg über die Mauer, die sie vor der Schwelle bereits halb errichtet hatten, und war auf der anderen Seite.
    Der erste Knecht, auf den sie traf, ließ vor Entsetzen seinen Eimer fallen, strich hin und wollte sofort den Weg zurück davon. Sie packte ihn und rang ihn nieder. Es war nur, weil er sich dem Tod geweiht sah und sich ergab, denn sie war ja klein und leicht wie zuvor und hatte die gleichen schwachen Kräfte. Zäh und unzerstörbar war sie nun, aber kein reißender Wolf noch alles niederrennender Stier, und daher musste sie ihren Anblick und die bloße Unmöglichkeit ihrer untoten Existenz als Waffe einsetzen.
    „Wohin ist Hermann, der Mönch? Wo ist er?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Du weißt es. Willst du, dass ich den Satan persönlich rufe, um dir zuzusetzen?“
    „Er ist... man sagt, er sei zurück zur Burg. Weil das Kloster zerstört ist, will er dort ein neues weihen.“
    „Wagt es ja nicht, mir zu folgen. Ihr sollt leben, aber nur, wenn ihr mich vergesst. Sag das allen. Bleibt in der Stadt und getraut euch niemals mehr hoch auf die Burg.“
    Er konnte nicht antworten, da ihm der Qualm in die Lunge stieg und ihn zu ersticken drohte. Inzwischen war es auch hier im Gang so undurchdringlich schwarz wie in der Zelle.
    „Raus jetzt hier. Sag es allen. Ich will nie mehr mit euch zu tun bekommen, sonst wird es euer Ende sein.“
    Sie ließ ihn los und musste ihn erst zerren und schieben, damit er selbst die Flucht ergriff. Nun wusste sie, wohin sie sich zu wenden hatte. Die anderen, die noch mit Wasser hereinstürmten, aber vor lauter Rauch gleich wieder abdrehten, ließ sie unbehelligt. Sie verbarg sich in der Schwärze und verließ den Kerker erst, als er lichterloh brannte und alle weit Abstand hielten und es Nacht war.
    Die Stadtmauern zu überwinden, war ihr keine Herausforderung mehr. Einem Menschen hätte der Sprung vom Wehrgang in den Zwinger die Knochen zerschmettert. Sie federte zurück wie ein Ballen Leder, rollte sich ab und überwand den Graben. Derart leise schlich sie, so wie sie jetzt war, dass nicht ein „Wer da?“ gerufen wurde.
    Wohl hatten die Kaiserlichen in ihrer Rolle als neue Stadtherren und mit der Botschaft, die sie ihnen übermittelt hatte, auch gar keine Aufmerksamkeit für das, was von außen kommen könnte. Sie wähnten das Monstrum noch in der Stadt oder auf dem Weg nach draußen, und alles Menschliche, das von außen eindringen könnte, war einen Lacher wert verglichen mit einer Hexe, der Flammen und beißender Rauch nichts anhaben konnten und die aussah wie ein schwarzes Biest aus der Hölle.
     
    Dieses Bild sah Maria erst bei Morgengrauen, als sie den Fluss überquerte. Sie erschrak vor ihrem eigenen Anblick, der im still fließenden Wasser erschien. Sie war ein menschenähnlicher schwarzer Schatten mit weiß glotzenden Augen.
    Aber das war nur der Rauch. Nachdem sie im Fluss gebadet und sich gründlich abgerieben hatte, wirkte ihr Bild gar nicht mehr bedrohlich. Sie sah sich noch ähnlich, der alten Maria, nur wie durch Schreck gealtert, nackt und ohne Haare. Die waren nicht nachgewachsen, wie beim ersten Mal, da sie sie ihr genommen hatten, und würden es wohl nie mehr. Es war ihr egal.
     
    „Ich habe dich erwartet.“
    Hermann hockte auf des Fürstbischofs Bett, als sie in den Palas kam. Das einstige Prachtschlafgemach war von Bliden und Bombarden zerfetzt und lag halb unter freiem Himmel.
    Sie wollte widersprechen, da er sie ja im Stich gelassen hatte und eingemauert im Kerker hätte vermuten müssen, aber da übersah sie wie er von seinem Thron auf dem Bett aus den

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