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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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noch.
    Instinktiv hob sie die gefesselten Hände und tastete über ihren Schädel. Sie erwartete nackte, stachelige Kopfhaut, aber was sie fühlte, waren üppige Haare. Sie reichten nicht über ihren Rücken, wie zuvor, aber sie war nicht mehr die geschorene Sünderin.
    „Was grinst du so?“, fragte der Henkersknecht.
    „Weil ihr mir nichts mehr anhaben könnt. Hast du die Angst dieses Mannes nicht gefühlt? Er wollte mich los sein, aber bei dir bin ich nun.“
    „Was soll’s. Wir haben schon grässlichere Hexen als dich im Feuer gereinigt.“
    Er klang verunsichert und ängstlich. Maria blieb stehen, und er machte keinerlei Anstalten, sie zu zerren oder zu schlagen.
    „Binde mich los und bringe mich hier raus. Dann verschone ich dich.“
    Maria wusste, dass sie keinerlei Macht über diesen Mann hatte. Sie konnte ihre Fesseln nicht sprengen und war ihm körperlich weit unterlegen. Aber die Gunst des Augenblicks war mit ihr, und sie fühlte, dass sie kalten Blutes geworden war.
    „Ich bring dich in deine Zelle wie befohlen. Sonst brenne ich an deiner statt.“
    Er machte scheuchende Bewegungen und angedeutete Angriffszuckungen.
    „Geh! Geh!“
    „Du wagst es nicht mehr, mich zu berühren, und tust gut daran. Wo ist der Ausstieg aus diesem Gang? Welche Richtung?“
    „Das nutzt dir gar nichts, Weib, denn auf dem Weg nach dorthin triffst du auf mehr als eine Wache.“
    Maria überlegte und kam auf keine Lösung. Sie hielt ihm ihre gefesselten Arme hin, und er schüttelte nur den Kopf.
    „Wo ist Hermann, der Mönch? Und wo ist das Kind?“
    Der Kerl wurde wütend, aber wagte noch immer keinen Angriff.
    „Ich geh mit dir, wenn du es mir sagst. Du musst mich nicht anfassen. Ich folge. Na komm schon.“
    „Den Mönch haben sie laufen lassen. Das Kind ist in der Zelle neben dir.“
    „Habt ihr sie auch gemartert?“
    „Weiß ich nicht. Weiter jetzt!“
    „Wer ist auf der anderen Seite neben mir? Wer schreit da die ganze Zeit?“
    „Der Burgvogt. Hexe, ich verliere die Geduld!“
    Er sah sich um, und Maria wusste, es war nicht nur nach anderen Wachen, es war nach Waffen.
    „Franz von Neuminingen?“
    „Wer sonst. Wir haben ihn eingemauert. Er wird nicht mehr lange brüllen, aber was kümmert’s dich überhaupt.“
    Drei Schritte weiter in einer Ecke lag eine ausgekohlte Fackel unter einer, die brannte und das einzige Licht hier unten gab. Der Folterknecht überwand sich dazu, ihr den Rücken zu zeigen, hatte den Fackelstumpf schon gepackt und erhob ihn gegen sie als Knüppel.
    „Das wagst du nicht. Fürchte meine Hexenmacht, du verdammter Sohn einer Kröte!“
    Sie hob die gefesselten Hände und spreizte die Finger gegen ihn, schloss die Augen und murmelte erfundene Wörter, die nach einer fremden Sprache klingen sollten. Ein solcher Hokuspokus kam ihr albern vor und schmerzlich fehl am Platz in dieser ernsten Lage, aber wenn sie nur verhindern konnte, wieder eingesperrt und später von weniger abergläubischen Teufeln geholt zu werden, war ihr alles recht.
    Aber sie hatte diesen Teufel falsch eingeschätzt. Die geschlossenen Augen waren Wagnis zu viel. Sie merkte gar nicht, wie er sie zu Boden schlug, aber begriff es, als sie mit schmerzendem Kopf in ihrer Zelle erwachte. Die Schreie neben ihr dauerten an.
    Aber viel mehr kümmerte sie die andere Seite, wo nichts schrie noch wimmerte. Ein kleines Mädchen in einem Höllenloch wie diesem. Wie konnten die das nur tun? Mächte des Guten wollten sie sein!
    Maria begann sie so sehr zu hassen, dass sie nichts mehr ungenutzt lassen wollte, keine kleine Gelegenheit, um sich ihrer zu erwehren und so viele wie möglich in den Tod zu reißen.
    Den Henkersknecht hätte sie angreifen können, irgendwie. Es wäre wohl nicht anders ausgegangen als jetzt, aber sie hätte es dann versucht gehabt und müsste den nicht gewagten Versuch nicht bereuen so wie jetzt. Sie würden wieder kommen. Aber sie würden keine finden, die sich einfach packen und zum Scheiterhaufen schleifen und anzünden ließ.
     
    Das taten sie auch nicht.
    Beim ersten Mal ging die Tür nur kurz auf. Sie sah zwei große und einen kleinen Schatten. Der kleine Schatten wurde nach innen gestoßen, zu ihr heran.
    Es war das Mädchen Kunigunde. Hastig tastete Maria sie, da es völlig finster war, am ganzen Körper ab, fand keine Wunden oder Brüche, umarmte sie dann und fragte: „Haben sie dir gar nichts getan, sag?“
    „Nein.“
    Sie begann leise zu weinen, und Maria wiegte sie in ihren Armen. Warum

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