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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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dieses kleine Zeichen von Menschlichkeit, sie zusammenzusperren? Konnten sie ein bisschen hoffen?
    Vielleicht noch mehr als nur das. Hermann war frei! Er würde nichts unversucht lassen, ihr zu helfen. Vielleicht hatte er diese erste kleine Erleichterung ihrer Gefangenschaft bewirkt.
    Als die Zellentür wieder aufging, meinte sie, er stehe davor, um sie herauszuholen.
    Aber es waren Henkersknechte mit Fackeln, die Spalier standen, während andere Knechte etwas hereinwarfen. Erst wusste sie nicht, was es war, aber am Geruch und an der Form und am Fallgeräusch erkannte sie die Strohballen. Noch ehe sie begriff, was das wohl sollte, flogen die beiden Fackeln hinterher und noch mal zwei. Die Tür krachte ins Schloss. Das Feuer loderte auf.
    Auf einmal war es tageshell in einem Verlies, das nie das Licht gesehen hatte. Ihr erster Gedanke galt dem Gebäude. Die brannten doch nicht das ganze Gefängnis nieder, nur um sie nicht anfassen und zum Richtplatz schleifen zu müssen!
    Aber sie sah jetzt und hatte längst gerochen die feuchten, schimmeligen Wände. Hier würde das Stroh abbrennen und sich dann selbst ersticken – und vorher sie und das Mädchen!
    Sie rannte zur Tür, schlug mit ihren gefesselten Händen dagegen, trat wie wild mit den Füßen aus und schrie erst unkontrolliert nach Hilfe und dann nach Gnade.
    Als sie einsah, es würde keine gewährt werden, kam sie zur Ruhe und schrie gegen die verschlossene Klappe, denn sie wusste, sie standen da draußen und hörten herein:
    „Ich verfluche euch, ihr niederträchtigen Schweine! Ihr wisst, ich habe die Macht dazu. Lasst das Mädchen frei, wenigstens sie, denn sie hat nichts getan. Oder eure Ernte wird für alle Zeit verderben, und ich vergifte euer Vieh. Eure Nachkommen werden als Krüppel geboren, und ihr selbst kommt allesamt in die Hölle. Kein Ablass und kein Priester noch Lutherpfaffe wird euch helfen. Ich ver-flu-che euch!“
    Den letzten Satz schrie sie noch einmal, so laut sie konnte. Dann brachte der Rauch sie derart zum Husten, dass ans Sprechen nicht mehr zu denken war. Sie packte das Mädchen, das an ihrem Rockzipfel hing, und verkroch sich mit ihr in die hinterste Ecke so tief wie möglich mit dem Gesicht am Boden.
    Das lodernde Feuer stieß Schwaden von Rauch gegen die Decke, wo er entlang waberte, um an den Wänden wieder nach unten zu kriechen. Schon war außer den Flammen nichts mehr in der Zelle zu erkennen. Jetzt verschwanden auch die Flammen hinter dem Rauch. Sie sah nicht mehr das hustende Mädchen unter sich noch ihre eigene Hand, mit der sie ihr Büßergewand vor Mund und Nase presste. Die Hitze fraß ihre Haare und sengte ihre Haut. Und bald nahm sie ihr auch das Bewusstsein.
     
    Maria erwachte, nur eine kurze Weile später, als eine andere.
    Sie wusste, sie war gestorben. Aber sie wusste auch, in ihrem Wiedergängertum glich sie nicht denen, die mit blöden Gesichtern herum irrten und nur das Zerfleischen von Menschen im Sinn hatten. Daran dachte sie überhaupt nicht.
    Ihr ganzes Sein war erfüllt von einem unstillbaren Wunsch nach Rache. Sie würde die ganze Erde heimsuchen mit ihrer Vergeltung, denn alle Menschen war verdorben. Sie waren grundsätzlich genauso schlecht wie die Bastarde hier drin, die kleine unschuldige Kinder verbrannten. Die meisten waren nie herausgefordert, derartiges zu tun, aber sie würden, wenn es drauf ankam.
    Die Reste des Mädchens Kunigunde fühlten sich rau und krümelig an in ihrem Schoß. Sie bettete sie vorsichtig zur Seite und streckte ihre erstarrten Glieder. Sie selbst war nicht zu Asche vergangen, aber unter ihrer alten Haut war eine Lederhaut zum Vorschein gekommen, haarlos, gefühllos und, wie sich zeigen würde, praktisch unzerstörbar.
    Sie war erwacht, weil sie gehört hatte, wie man sich vor ihrer Zelle zu schaffen machte. Das verschimmelte Loch war gepresst voll schwarzem Rauch. Die Flammen züngelten noch, aber würden bald vergehen.
    Ihr war klar, dass man diese Zelle nie mehr öffnen würde, und genau danach hörten sich die Geräusche draußen an: Wie nebenan den Neuminingen, den sie eingemauert hatten, weil sie ihn nur für ihren Verbündeten und einen Zauberer hielten, so würden sie erst recht diejenige für immer hinter Steinen verschwinden lassen, die sie für die Hexe und Giftmischerin hielten, die sich alles ausgedacht und es in die Welt gesetzt hatte.
    Weit konnten sie noch nicht sein.
    Maria schob die brennenden Reste der Strohballen zur Tür. Schmerzen und Atemnot verspürte sie

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