Toten-Welt (German Edition)
wo es warm ist, ganz bescheiden und fern von den Menschen. Wir erschaffen unsere eigene kleine Welt.“
Sie trat zwei Schritte von ihm zurück und besah ihn sich auf Falschheit und Verrat. Sie fand nur Trauer in seinem Gesicht über den Verlust ihrer Schönheit, aber er hatte sich trotzdem für sie entschieden.
Was hatte er auch für eine Wahl!
Sie schüttelte lange den Kopf, bevor sie antwortete.
„Vor zwei Tagen hättest du damit kommen müssen! Da waren wir beide längst von dem Mittel durchdrungen und zum Wiedergängertum verdammt, aber hätten bis dahin ein Leben gehabt. Jetzt aber, sieh mich doch an!“
Ihr war nach weinen, aber dafür war zu wenig von der alten Maria in ihr, und so blieb es bei einer flüchtigen Sinneserinnerung vor dem endgültigen Verwehen menschlicher Gefühle.
„Du trägst unser Kind in dir“, sagte er leise und eindringlich. „Dieses Kind kann uns retten.“
„Das Ding in mir ist längst kein lebendes Kind mehr. Was hätte es auch zu saugen an einer wie mir, innerlich wie äußerlich? Wehe, wenn es herauskommt!“
„Aber was willst du dann? Warum bist du gekommen?“
„Um zu zerstören. Ich will sehen, was aus dem Biest aus Byzanz wird, wenn man ihm den Kopf zurück gibt. Ich will sehen, wie der Fürstbischof in seiner neuen Erscheinungsform auf die Menschen losgeht. Und wenn die beiden Unholde friedlicher sind, als sie aussehen, dann will ich noch einmal die Toten aus den Gräbern holen und diesmal so viele, dass bald sie es sein werden, die diese Erde beherrschen.“
„Und wo bleibe ich bei all diesen Taten?“
„Du kannst für mich sein oder für die Menschen. Oder geh doch allein in den Süden und werde Fischer. Bis es sich nach dorthin ausbreitet, kannst du so tun, als werde nichts geschehen und dir ein gutes Leben machen.“
Ihr Hohn troff ihm so hasserfüllt entgegen, dass er die alte Maria nun gar nicht mehr erkannte.
„Es kann doch aber auch gar nichts geschehen. Diese Sache hier ist vorbei, es gibt nur noch uns. Und sei es, dass wir nun niemals sterben, es muss niemand erfahren. Niemand muss mehr leiden.“
„Dass niemand mehr leiden muss, war schon mal deine Absicht. Sieh mich an und die Ruine hier und die Leichenberge ringsum, dann weißt du, wohin das führt. Und nun lass mich zu ihnen.“
„So hast du dich also entschieden.“
Sie ging um ihn herum, da er nicht wich, und erstieg die ersten Sprossen der Leiter zum Bergfried. Hermann sah ihr hinterher und hatte die Vision, den Satan nun kurz in seiner Hölle verschwinden zu sehen, um Verstärkung zu holen, zurückzukehren und als Trinität des unsteigerbar Bösen zur Apokalypse zu blasen.
Mönch war Hermann nie wirklich gewesen, er hatte es vorschützen müssen, um Heiler sein zu können. Er hatte einen Glauben gehabt, aber der war auf eine harte Probe gestellt worden und hatte sich als zu schwach erwiesen.
Nun aber sah er sich als derjenige, der zu sein ihm bestimmt war. War er nicht Heiler noch Segensbringer, so vielleicht etwas sehr viel Größeres. Nur er konnte noch verhindern, was sich da anbahnte. Er wusste ja nicht, was es sein könnte. Vielleicht war das Biest aus Byzanz eine Macht des Guten in hässlicher Verkleidung. Vielleicht war Maria nicht so böse und unzerstörbar, wie sie sich gebärdete. Der verwandelte Fürstbischof gar der nächste Messias. Aber konnte er es drauf ankommen lassen?
Eigentlich war das gar keine Entscheidung. Was ihn überhaupt zögern ließ, war das schlechte Gewissen ihr gegenüber. Sie war so ein lieber Mensch gewesen, ein Engel und bestimmt zur Heiligen, wenn sie nur ihm nicht begegnet wäre. Und wenn es nicht mehr viel war, so mochte doch der Kern des Guten noch in ihr stecken. Er hatte in bester Absicht gehandelt und ihr dann so viel Schlimmes angetan. Konnte er wirklich nun entscheiden, dieses Schlimme an ihr noch zu steigern und auf die Ewigkeit auszudehnen?
Als sie oben ankam und im Turm verschwand, gab ihm das den Mut, den er noch brauchte. Aus den Augen, aus dem Sinn. So würde es sein. Alles ließ sich vergessen, auch das, was er jetzt vorhatte – wenn es erst vorbei wäre.
Er traf seine Entscheidung, schritt zur Leiter und erklomm die ersten Sprossen.
Kapitel 8: Die Apokalypse nimmt ihren Lauf
Amelie starrte sie an und machte ganz unbewusst eine auffordernde Kopfbewegung, doch gefälligst weiter zu erzählen.
„Was denn, Schätzchen, können Sie sich den Rest nicht denken?“
„Nein. Nicht mal ansatzweise.“
„Dann sind Sie eine
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