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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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kann sie ihn zurückholen.“
    „Wer, diese Berkel? Quatsch!“
    „Ich sag dir, das ist nicht bloß eine Kräuterhexe. Ich hab was gesehen.“
    „Was denn? Wo?“
    „Bei ihr in diesem Sprechzimmer oder was das war. Ich hab es gesehen, aber du nicht.“
    „Was denn?“
    „Eine Katze.“
    „Da war keine Katze.“
    „Und ob. Ein scheußlich zerzaustes Vieh mit riesiger Löwenmähne. Sah aus wie halb verwest.“
    „Wo? In irgendeiner Ecke versteckt?“
    „Von wegen versteckt. Das Biest ist wie aus dem Nichts plötzlich auf ihren Schoß gesprungen, während wir mit ihr gesprochen haben, und dann mitten über den Schreibtisch getrabt. Die Hexe hat sie ein bisschen gekrault und mir verstohlen zugelächelt, als ob sie genau weiß, dass du nichts mitbekommst, ich aber schon.“
    „Warum hast du nichts gesagt?“
    „Was sollte ich denn sagen? He, Alter, da latscht ne kotzhässliche fette Geisterkatze direkt vor deiner Nase an dir vorbei und du schaust nicht mal hin. Bist du blind oder wie?“
    „Wenn sie Katzengeister kraulen kann, dann vielleicht auch Menschengeistern weh tun.“
    „Einem Geist wehtun?“
    „Ja, ihn bannen, einsperren, irgendwelchen Qualen aussetzen. Vielleicht geht das.“
    Die Brüder schauten sich an. Der es ausgesprochen hatte begriff ebenso wie der andere erst mit Verzögerung, was er da gesagt hatte.
    „Angenommen, es geht. Wäre das genauso schlimm für ihn wie bei lebendigem Leib?“
    „Keine Ahnung. Aber haben wir denn eine Wahl?“
    „Ich wollte es selbst tun. Es ist nicht dasselbe.“
    „Wenn das Mittel bei ihm nicht gewirkt hat, dann macht es auch unsere Narben nicht weg. Die hat uns angeschmiert.“
    „Wir haben auch nichts bezahlt. Also, was soll’s.“
    „Und wenn wir uns an ihr rächen?“
    „Sie hat uns nichts getan.“
    „Sie hat uns verarscht.“
    „Das schon. Aber wenn wir das mit ihr machen, was wir mit ihm vorhatten, das bringt’s ja wohl auch nicht.“
    „Also willst du gar nichts tun? Niemand wird bestraft?“
    „Die Leute, die uns zu ihm gebracht haben. Die vom Jugendamt. Wir haben ihnen gesagt, was er mit uns gemacht hat, als wir noch konnten, aber sie haben uns nicht geholfen. Die sind genauso schuld.“
    „Die kommen ja auch noch dran, aber erst er. Erst die Hexe. Dann er. Dann die.“
    „Und wie das alles?“
    „Wir gehen gar nicht erst zu ihr auf die Burg. Wir schnappen sie, wenn sie mal wieder unterwegs ist. Die braucht Druck, damit sie uns ernst nimmt. Die hat uns doch behandelt wie dumme Kinder!“
    „Und wenn sie wirklich magische Kräfte oder so was hat oder über die Geister herrscht? Was, wenn sie alles mitbekommt, was wir tun, und längst gewarnt ist? Was, wenn...“
    „Was?“
    „Was, wenn sie da weitermacht, wo er aufgehört hat?“
    „Warum sollte sie das denn tun? Die haben sich nicht gekannt. Und sie kennt uns nicht.“
    „Ich hab ein ganz blödes Gefühl. Es wird nicht besser für uns. Es wird vielleicht noch viel schlechter.“
    „Also sollen wir gar nichts tun?“
    Sie schauten aneinander vorbei, was ihre Art war, sich anzuschauen und innezuhalten. Der Hase fiel dem Gnom ins Wort, als der das Schweigen brechen wollte, und es war ihm anzusehen, dass es um etwas ganz anderes als das zuletzt Diskutierte ging.
    „Hey, Alter, merkst du was? Unsere Wunden. Wir kratzen gar nicht mehr.“
    Für eine Sekunde schauten sie sich direkt in die Augen und begannen wie auf einen gegenseitigen Befehl hin, ihre Ärmel hochzuschieben und die Binden abzuwickeln.
    „Verdammt, das gibt’s doch nicht! Alles weg!“
    Der Gnom sagte nichts, er lächelte nur und betrachtete die unversehrte Haut an beiden Unterarmen.
    „Weißt du, was das heißt?“
    Die Antwort wurde ihm aus dem Mund genommen. Die Leiche stöhnte aus tiefster Lunge, schnellte hoch mit einem Ruck und riss die Augen auf.
     
    Amelie hätte sich selbst in den Hintern treten können für ihre Ankündigung. Warum nur hatte sie das gemacht?
    Frieda aß ihre Pizza völlig selbstvergessen in winzigen Happen, aber so schnell, dass des Genusses Ende abzusehen war – und damit die Einlösung des Versprechens.
    Könnte sie es vergessen haben?
    Wohl kaum.
    Wenn eine, die auf einer alten Burg hauste mit einem geheimnisvollen Kranken zusammen und einer haarigen Heilpraktiker-Ärztin, wenn so eine nicht nur andeutete, sondern herausposaunte, etwas Gruseliges erlebt zu haben, dann geriet das Versprechen, es nach dem Essen ausführlich zu erzählen, ganz bestimmt nicht in Vergessenheit.
    Frieda

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