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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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wischte ihren Mund an der Stoffserviette ab, setzte sich aufrecht und verkündete:
    „Also, ich höre!“
    „Was?“
    „Du hast was Gruseliges erlebt.“
    „Ach das. Halb so wild...“
    „Amelie Korski! Was meinst du, warum ich mit fliegendem Besteck gefuttert habe? Normalerweise esse ich halb so schnell und meist noch deutlich langsamer.“
    „Du wirst mich für verrückt halten.“
    „Tu ich schon nicht.“
    „Es... es ist auch verrückt.“
    Amelie legte Messer und Gabel zur Seite. Sie war ohnehin satt. In ihrer Aufgeregtheit wischte sie sich den Mund mit der Hand statt der Serviette ab.
    „Ach, was soll’s, ich habe jemanden gesehen, der nicht mehr existiert.“
    „Ein Gespenst!“
    „Ja, so was Ähnliches, aber eigentlich eher das Gegenteil, nämlich Bergenstroh, die junge beziehungsweise gesunde Ausgabe von ihm.“
    „Du meinst die Fotos“, stellte Frieda enttäuscht fest. Sie gab ihre Rückenspannung auf, zog eines der beiden übrig gelassenen Pizza-Dreiecke auf Amelies Teller unter der Serviette hervor und knabberte die Spitze ab.
    „Nein, das ist es ja eben. Da hatte ich die Fotos noch gar nicht gesehen. Als ich sie dann sah, dachte ich: Den kenne ich doch! Aber erst hinterher fiel mir ein, woher.“
    „Na ja, dann hat er dich veräppelt.“
    „Veräppelt? Inwiefern?“
    „Vielleicht ist das ein Verwandter von ihm, der auch auf der Burg lebt oder ein Mitarbeiter. Hast du denn mit ihm gesprochen?“
    „Nein.“
    Amelie dachte nach, aber wurde sofort unterbrochen:
    „Wo hast du den jungen Typen denn gesehen?“
    „Irgendwo im Erdgeschoss der Burg auf dem Weg zum Frühstück.“
    „Na bitte. Dann ist das ein Angestellter. Geister spuken nicht am frühen Morgen.“
    „Warum sollte Bergenstroh Fotos seiner Angestellten auf seinem Laptop speichern und dann behaupten, das sei er selbst?“
    „Du hast doch gesagt, der Kerl auf den Fotos sei attraktiv.“
    „Ziemlich.“
    „Und die Live-Version?“
    „Erst recht.“
    „Bingo.“
    „Bingo was?“
    „Vielleicht ist er in ihn verknallt. Oder der ganze Zweck seines Angestelltseins ist sexueller Natur.“
    „Nein. Jetzt hör aber auf.“
    „Waren die Fotos irgendwie – aufreizend?“
    „Na ja, schon. Mit nacktem Oberkörper und so, verschwitzt, provozierendes Grinsen...“
    „Also, da hast du’s. Von wegen gruselig. Lass dich nicht verrückt machen, Amelie.“
    „Inwiefern?“
    „Leute, die in solchen Gemäuern hausen, ticken doch nicht richtig. Lass ihre Abartigkeiten nicht an dich ran, okay?“
    „Okay. Nur...“
    Amelie wünschte sich, sie könnte die Klappe halten, aber jetzt musste es raus, alles. Friedas fragender Blick war Anlass genug.
    „Was, wenn man Scherzen ausgesetzt wird, die überhaupt nicht witzig sind?“
    „Zum Beispiel?“
    „Seine Ärztin. Die Frau spinnt. Erst hat sie mich auf einem mittelalterlichen Plumpsklo eingesperrt, dann ziemlich unverblümt bedroht.“
    „Womit bedroht?“
    „Wenn ich ihr in die Quere komme, dass mir dann was passiert.“
    „Wie könntest du ihr in die Quere kommen?“
    „Indem ich, na ja, heimlich ihre Praxis betrete.“
    „Hast du das denn vor?“
    „Nein, natürlich nicht. Aber muss man so was denn extra jemandem ranreiben? Die behandelt mich wie eine lästige Stubenfliege. Und nennt mich auch so.“
    „Sie nennt dich Fliege?“
    „Nein, nicht als Name, sondern sie sagt, ich bin für sie nicht mehr als eine herumschwirrende Fliege. Und dann hab ich auch noch so Anfälle...“
    Frieda zog die Augenbrauen zusammen und rückte an die Lehne zurück. Amelie sah ihr an, dass sie sich langsam fragte, ob da jemand in was Seltsames reingeraten war oder seiner eigenen Seltsamkeit freien Lauf ließ.
    „Keine Krämpfe oder so“, fuhr sie kleinlaut fort. „Es fühlt sich an als sei ich ganz starr und tonnenschwer und kann mich nicht bewegen.“
    „Nach dem Aufwachen oder was?“
    „Ja.“
    „Ach so.“
    Frieda wirkte erleichtert.
    „Das hab ich manchmal auch. Im Schlaf sind deine Muskeln wie gelähmt, und das kann anhalten, bis du richtig wach bist.“
    Amelie wusste, das war es nicht. Was sie erlebt hatte, war wie tot sein, fest bandagiert, ausgeweidet und halb verwest. Es war wie Seele-in-der-Leiche-bleiben. Wenn sie das ausspräche, sähe sie Frieda wohl zum letzten Mal. Aber das ging nicht. Sie brauchte sie noch.
    Amelie erschrak vor ihrem eigenen Gedanken. Sie wollte ihre Freundin sein. Wenn sie diesen Job behielt, brauchte sie jemand zum Tratschen, um nicht wahnsinnig zu

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