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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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paar Meter von dem Seil abzuschneiden, mit dem Wicca ans Gitter gefesselt war.
    „Das ist mein kluges, kleines Mädchen. Nie um gute Ideen verlegen.“
    „Eins wüsste ich schon ganz gern“, sprach Amelie wie mit sich selbst, derweil sie das abgeschnittene Seilstück an ihrem abgenommenen Gürtel befestigte. „Wenn ich doch in Zeitraffer herangewachsen bin, geht das dann so weiter? Bin ich in einem Jahr eine alte Frau?“
    „Das weiß ich nicht“, sagte Hermann und klang schuldbewusst.
    „Das weiß er nicht“, wiederholte Wicca höhnisch. „Der Mann, der sein Baby eingefroren hat, lässt es ja ach so behütet aufwachsen, aber wie es danach weitergeht, das weiß er nicht.“
    „Die Zeugung war nicht meine Absicht, sondern deine“, wehrte er sich und schien gar nicht zu begreifen, wie mies es klang, was er da sagte.
    „Ein Wunschkind war ich jedenfalls nicht“, bemerkte Amelie trocken und fühlte, wie die Selbstironie ihr half. Sie hatte ihre Wurf-Angel fertig, wagte einen ersten Versuch und verfehlte den Schlüsselbund auf der anderen Seite des Gitters um einen guten Meter.
    „Seit ich dich das letzte Mal sah, bist du jedenfalls nicht sichtlich gealtert.“
    „Sehr tröstlich. Was aber, wenn ich morgen erste Falten und graue Haare entdecke? Was mache ich dann?“
    Da keine Antwort kam, unterbrach Amelie ihren Versuch eines zweiten Wurfes und schaute zu Hermann. Der war, auf Wiccas anderer Seite, ans Gitter getreten, starrte nach draußen und murmelte:
    „Heiliger Herr Jesus!“
    Amelie folgte seinem Blick, sah nun selbst, was er entdeckt hatte, und vergaß augenblicklich die Themen Alterung und Schlüsselfang. Wicca, deren Blick nach innen fixiert war, begann zu zucken und sich zu winden.
    „Was ist da draußen?“, fragte sie und klang für ihre Verhältnisse außer sich. Sie spürte, dass da etwas auf sie zukam, das kein für sie harmloser Zombie war. Natürlich konnte sie sich denken, was es war. Aber sie wollte nicht. Sie wollte eine beruhigende Antwort.
    Statt dessen sah sie, wie nun Amelie und Hermann sich vom Gitter entfernten und sich, rückwärts gewandt weiter nach draußen starrend, ins Innere der Zelle flüchteten.
    „Ist das eines dieser Wesen?“, fragte Amelie.
    „Nicht so, wie ich sie in Erinnerung habe. Da waren sie viel, viel kleiner.“
    „Macht mich los!“, schrie Wicca. Sie hatte, rudimentär, die Fähigkeit, Gedanken aufzufangen, Stimmungen zu ahnen und begrenzt in die Zukunft zu schauen. Ihre eigene, bisher endlose Zukunft – auf einmal war sie schwarz wie frisch gesiedetes Pech.
     
    „Wir sollten... nicht auch noch... in den obersten Stock!“, rief Niedermüller, als sie auf der Flucht vor dem riesenhaften Monstrum das nächste Stockwerk erreichten und Mertel nicht in einen der Gänge rannte, sondern weiter zur nächsten Treppenetage. „Die Klippe... auf der die Burg steht... ist schon verdammt hoch!“
    „Im nächsten Stockwerk... unterm Dach... sind hoffentlich die Gänge niedriger“, antwortet Mertel und rannte weiter die Treppen hoch. „Wenn es steckenbleibt und... umkehrt, können wir... zurück.“
    „Und wenn nicht, dann... stecken wir fest!“
    Trotzdem folgte er ihm, denn eine Wahl hatte er inzwischen nicht mehr. Auf allen Vieren fegte das abscheuliche Biest hinter ihnen her und peitschte ihnen alle paar Sekunden sein schlauchartiges Ding um die Ohren. Dass es nicht längst getroffen hatte, war wohl darauf zurückzuführen, dass es in Bewegung nicht zielen konnte, und deshalb war es gut, in Bewegung zu bleiben.
    Mertel hatte richtig geraten. Im obersten Stockwerk war alles niedriger und enger, auch schon der Treppenbereich. Sie waren kaum um die Kurve in Richtung des einzigen Ganges, der hier weiterführte, da blieb das Monstrum stecken, schleuderte ihnen ein letztes Mal das glitschige, schleimige Ding hinterher, machte ein letztes Geräusch, als es das eklige Teil wieder einfuhr, und verstummte dann abrupt. Als sie sich umdrehten, war es weg.
    Niedermüller blieb stehen und wollte zurück.
    „Nicht so schnell. Von hier oben haben wir die beste Übersicht.“
    Die nächstfolgende Tür war versperrt. Bis zum Ende des leicht geknickt verlaufenden Korridors, an dem ein kleines, bleiverglastes Fenster gerade ausreichend Licht hereinließ, um sich orientieren zu können, zählten sie drei weitere Türen, alle versperrt.
    Die kleinen Rundglasteile des Fensters waren bunt und dick, der Blick nach draußen war daher stark verschwommen – aber erlaubte genug

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